Dienstag, 10. Dezember 2019

„Die Entweihnachtung“ von Kerstin Ax




Leseprobe

Es gibt Menschen, die der Weihnachtsvirus in so einem Maße erfasst hat, dass sie schon in den ersten Tagen des Novembers, kaum dass Halloween vorbei ist, in einen regelrechten Weihnachtsrausch verfallen. Zu diesen Menschen zählte auch Lucy. Dann schleppte sie unzählige Kartons voller Weihnachtsschmuck aus dem Keller in ihre Wohnung und am Ende türmten sie sich in jeder Ecke. Dann glich es geradezu einem akrobatischen Akt, stets begleitet von einem Weihnachtslied, sich durch die Wohnung zu bewegen. Die Wohnung glich in diesen Tagen dem Zentrallager des Weihnachtsmannes. Während dieser Zeit nahmen sowohl Lucys Familie als auch ihre Freunde ein klein wenig Abstand von ihr. Dem Weihnachtsmonster Lucy wollte bei ihren Vorbereitungen lieber keiner in die Quere kommen. Cara, Lucys beste Freundin, hatte vor ein paar Jahren den Fehler begangen, einen goldenen Tannenzapfen an der falschen Stelle zu platzieren. Woraufhin Lucy sie ganz außer sich aus der Wohnung gescheucht hatte. Solche Geschichten kursierten zuhauf in Lucys Freundes- und Familienkreis. Selbst die Verkäufer in den Dekorationsläden der Stadt flüchteten in die hintersten Ecken der Läden, wenn Lucy auf der Suche nach neuer Dekoration einen Laden betrat. Zu oft war sie zickig geworden, wenn sie nicht fand, was sie wollte. Doch mittlerweile hatte Lucy die Weiten des Onlineshoppings für sich entdeckt und ihre Ladenbesuche wurden immer seltener. Greg, Lucys Freund, der dieser Weihnachtshölle nicht so leicht entfliehen konnte, weil er mit Lucy zusammenwohnte, graute es in dieser Zeit jeden Tag davor, von der Arbeit wieder nach Hause zu kommen, solange sich Lucy in „diesem Zustand“ befand. Natürlich liebte er Lucy. Und natürlich verbrachte er die eigentlich besinnliche Weihnachtszeit gerne mit ihr. Wenn Lucy doch nur nicht so übertreiben würde! Gerade steckte er den Schlüssel in die Wohnungstür, als sein Blick auf die neue Fußmatte fiel. In roten Lettern prangte darauf ein „Merry X-Mas“ und das Einzige, was er bei diesem Anblick denken konnte, war: „Ja, ja … Merry Kiss My Ass!“ Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, das jedoch sofort in sich zusammenfiel, als er die Wohnung betrat. Was zum Teufel hatte Lucy da wieder angestellt? Über den ganzen Boden des Wohnzimmers lagen Lichterketten verteilt. Sie blinkten und leuchteten in allen Farben. Greg fühlte sich, als hätte er gerade einen Club betreten. Nur dass derjenige, der für die Beleuchtung zuständig war, anscheinend ein paar Bier zu viel gehabt hatte. Das Sofa war unter einem Berg aus Weihnachtskugeln, glitzernden Anhängern und Tüten voller sonstigem Kram vergraben. Nur noch ein Teil der Lehne lugte gerade so aus diesem Wirrwarr heraus. Greg schnappte wütend nach Luft und versuchte dann vorsichtig das Wohnzimmer zu durchqueren, um in der Küche etwas auf den Schreck zu trinken. Doch als er die Küche betrat, konnte er nicht einmal den Kühlschrank finden. Der gesamte Raum war von Weihnachtsmännern, Schneemännern, Rentieren und weiß der Teufel was noch in allen Größen und Formen bevölkert.

Autorenvita

Kerstin Ax wurde 1982 in einer mittelhessischen Kleinstadt geboren und lebt noch heute zusammen mit ihrem Mann dort. Schon in ihrer Kindheit und Jugend verfasste sie Kurzgeschichten und Gedichte.

Ihr erster Roman "Geheimakte Eden - Jedes Ende hat auch einen Anfang" erschien im Jahr 2009.
"12 Briefe und ein Wunder" ist der erste Liebesroman der Autorin. Es sollen natürlich noch viele weitere Bücher und Kurzgeschichten aus ihrer Feder folgen. Denn der Fantasie sind ja bekanntlich keine Grenzen gesetzt.

Weitere Informationen unter: www.kerstin-ax.de