Dienstag, 15. Dezember 2020

Ruhestand zu Weihnachten von Rita Hajak

Es war November, als Alexander in den Ruhestand trat. Danach war nichts mehr wie sonst. Langweile übermannte ihn und wenn er seiner Frau Klara den Vorschlag für einen Theater- oder Kinobesuch machte, lehnte sie ab. Auch im Haushalt durfte er nicht helfen. So fuhr er des Öfteren in die Stadt und lief ziellos umher. Die Eheleute redeten immer weniger miteinander und der Haussegen hing schief. 


Drei  Tage vor Weihnachten kam der Winter über Nacht, brachte Kälte und Schnee. Alexander fuhr, wie gewohnt, in seine geliebte Innenstadt und schlenderte durch die weihnachtlich geschmückten Einkaufspassagen. Überall hingen Lichterketten, die Schaufenster waren festlich dekoriert und es duftete nach Lebkuchen und weihnachtlichen Gewürzen. Jemand rief seinen Namen. Erstaunt blickte er sich um. Karin, seine ehemalige Kollegin kam auf ihn zu. Sie umarmten sich und lachten.

  »Wie geht es dir? Bist du zufrieden?«, fragte sie.

Er verzog das Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen.  

Karin schüttelte erstaunt den Kopf. »So schlimm?«

  »Schlimmer«, antwortete er. »Es dauert nicht mehr lange und Klara erteilt mir Hausverbot. Ich nerve sie ganz schön.«

  »Komm, lass uns einen Glühwein trinken.« Karin hakte ihn unter und führte ihn zum nächsten Stand. 

  Sie sahen nicht die Gestalt, die hinter einer Säule stand und mit Tränen in den Augen zu ihnen blickte.

  Als Alexander nach Hause kam, war Klara nicht zu finden. Überall schaute er nach. In der Küche, auf dem Tisch, fand er einen Zettel. Ich mache dir den Weg frei, stand darauf, was er jedoch nicht verstand. Kurz entschlossen rief er seine Tochter Sara an. »Ist deine Mutter bei euch? Ich möchte sie sprechen.« 

  »Hallo Papa, sie will nicht, lass ihr Zeit.«

  »Was ist denn los? Seid ihr verrückt?«

  »Wenn du es nicht weißt, Papa.«

  »Das wird mir zu dumm, ich komme«, rief er verärgert und knallte den Hörer auf.   Wütend zog er seinen Mantel an, rannte in die Garage und fuhr mit seinem Bens, zu seiner Tochter, die wenige Kilometer entfernt wohnte. 

Mutter und Tochter hatten ihn bereits erwartet. Klara verbarg ihr verweintes Gesicht hinter den Händen.

  »Was ist passiert? Bitte kläre mich auf, Klara.« Er gab seiner Tochter einen Wink, das Zimmer zu verlassen.  

  Klara schniefte. »Meinst du, ich wüsste nicht, wo du jeden Tag hingehst? Du hast eine Freundin. Ich bin dir wohl nicht mehr gut genug?« Sie heulte erneut.

Alexander lachte, nahm seine Frau in den Arm und konnte die Sache schnell aufklären.

  »Die einzige Frau auf der Welt, die ich liebe, bist du. Wir sollten etwas unternehmen. Verreisen, Konzerte besuchen oder sonst was.  Zum Rumsitzen sind wir zu jung.«

  Strahlend nickte sie. 

  »Aber vorher feiern wir alle zusammen Weihnachten«, bestimmte er.

An eilig Abend

 Heiligabend war alles zugeschneit. Sara hatte den Tisch wunderschön dekoriert und aus der Küche strömte ein verlockender Duft. Alexander saß mit seinem Schwiegersohn und seinem Enkel Timo auf dem Fußboden im Kinderzimmer. Sie hatten eine riesige Eisenbahnanlage aufgebaut und schauten begeistert der Dampflok zu, die über die Schienen ratterte.  Sie schnupperten genüsslichem, als Sara zum Essen rief. Nach alter Tradition der Familie standen ein Rehbraten, sowie Klöße und Rotkohl auf dem Tisch. Zufrieden und in guter Stimmung redeten, lachten und aßen sie.

  Als Timo längst schlief, standen sie eine Weile vor dem wunderschön geschmückten Weihnachtsbaum, bis sie sich das Ehepaar verabschiedete. Sie dankten ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn für den schönen Abend.


Es war kurz nach Mitternacht, als Alexander mit Klara nach Hause kam. Um das Fest harmonisch ausklingen zu lassen, zündeten sie Kerzen an und tranken ein Glas Wein.  Endlich konnte Alexander seiner Frau den Umschlag überreichen, den er für diesen Moment zurückbehalten hatte. 

  »Noch ein Geschenk?« Klara schaute erstaunt, zog ein Schreiben aus dem Umschlag und strahlte, als sie es las. »Das ist wunderbar, eine Reise nach Teneriffa und das bereits im Januar. Ich fasse es nicht!«, rief sie erfreut. »Ich danke dir.« Sie küsste ihren Mann übermütig.

  »Freust du dich wirklich?«, fragte er unsicher.

  »Aber ja, Lieber, lass und auf Reisen gehen und unser Leben genießen. Ich bin glücklich, dass es dich gibt.« 

  Sie traten ans Fenster und schauten schweigend den Schneeflocken zu, die durch die heilige Nacht tanzten.  

 

Vita

Rita Hajak wurde 1950 in Frankfurt am Main geboren. Für die gelernte Anwalts- und Notariatsgehilfin war das Schreiben schon immer ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Bereits in der Schule schrieb sie mit Begeisterung Aufsätze. Später waren es Geschichten für ihre Kinder. Der Beruf trat in den Vordergrund und die Zeit zum Schreiben fehlte. Erst die Jahre, die sie mit ihrem Ehemann auf der Insel Fehmarn verbrachte, schafften wieder Zeit und Raum zum Schreiben. Es entstanden Kurzgeschichten und Romane verschiedenen Genres. Heute lebt die Autorin mit ihrem Ehemann im Taunus.

Website www.ritahajak.de

Ritas Buchideen/Blog https://buchideen.blogspot.com/