Donnerstag, 14. Dezember 2017

Energieprobleme in der Weihnachtswerkstatt von Annette Paul

Foto Eva Joachimsen



„Wir brauchen mehr Licht“, schimpfte der kleine Wichtel.
Weihnachtsmann furchte seine Stirn. Er schaute aus dem Fenster. Hier oben im Norden herrschte Finsternis und die spärlichen Öllampen und Fackeln erleuchteten die alte Werkstatt der Wichtel nur spärlich.
„Der Schuster hat wenigstens seine Glaskugel und die Bäcker den Schein des Ofenfeuers, wenn die Klappe offen steht, aber wir?“ Der kleine Tischlerwichtel schaute auf seine Hände, die zahlreiche Schnittverletzungen aufwiesen.
„Ich werde mir eine Lösung überlegen“, versprach der Weihnachtsmann.
Er ging nach draußen und fragte den Hausmeisterwichtel:  „Wieso beleuchten wir unsere Werkstätten wie vor hunderten von Jahren mit Fackeln und Tranlampen? Warum läuft der Generator nicht?“
„Weil wir zu viel Benzin verbraucht haben. Den letzten Rest benötigen wir für die Fahrzeuge, sonst können wir die Geschenke nicht ausliefern.“
„Wenn die Wichtel nicht arbeiten können, haben wir nichts zum Ausliefern“, murmelte der Weihnachtsmann. Da er aber schon auf dem Weg zur Backstube war, hörte der Hausmeister nicht mehr, was er sagte.
In der warmen Bäckerei nahm der Weihnachtsmann seine Mütze ab und raufte sich die Haare. Wie sollte es weitergehen. Bei diesen Ölpreisen konnte er sich keinen weiteren Treibstoff leisten.
„Sorgen?“, murmelte der Bäckereichef.
Der Weihnachtsmann nickte. Um ihn aufzuheitern, reichte ihm der Bäcker eine Schüssel mit frischen Lebkuchen.
„Koste mal. Dieses Jahr sind sie besonders köstlich. Wir haben eine neue Gewürzmischung. Und durch den guten Sommer ist der Waldhonig besonders aromatisch.“
Gedankenverloren griff der Weihnachtsmann nach einem kleinen Stück und biss hinein, da erhellte sich sein Gesicht. Strahlend eilte er davon und der Bäcker schaute ihm kopfschüttelnd hinterher.
„Imker, wie viel Wachs haben wir noch?“, fragte der Weihnachtsmann.
„Eine ganze Kiste voll. Die Bienen waren in diesem Jahr besonders fleißig. Die Bäcker haben ihnen eine Extraportion Zuckerwasser vorbeigebracht, weil der Honig so hervorragende Qualität hatte. Brauchen wir mehr Kerzen? Ich mache mich sofort an die Arbeit.“ Der Wichtel kletterte auf eine Leiter und lud sich eine Kiste auf den Rücken. Vorsichtig stieg er damit Sprosse für Sprosse hinab.
„Ja, sofort und bring sie dann in die Tischlerei und Schneiderei. Die anderen brauchen das Licht nicht ganz so dringend.“
„Kerzen?“
„Wir haben keinen Strom, der Treibstoff ist alle.“ Der Weihnachtsmann klang noch immer grimmig.
„Na, da werden die alten arthritischen Rentiere viel zu tun haben“, murmelte der Imker.
Weihnachtsmann schaute ihn böse an. „Für die Fahrzeuge reicht es gerade noch. Gut, ein paar Fuhren werden meine Tiere noch machen. Schon aus nostalgischen Gründen. Die Menschen erwarten mich schließlich im Schlitten.“
Der Imker grinste. „Und die Tiere finden nachts allein nach Hause.“
„Nach dem vielen Stress darf ich auch mal eine Runde schlafen.“ Der Weihnachtsmann musterte ihn strafend von oben bis unten. „Mach dich an die Arbeit.“
Der Wichtel öffnete kommentarlos die Kiste und begann, die Wachsplatten um einen Docht zu rollen. Als er die ersten zwanzig Kerzen fertig hatte, brachte er sie zu den Werkstätten.
Zum Dank, dass sie mit Hilfe der Kerzen alle Bestellungen rechtzeitig abarbeiten konnten, tischlerten die Wichtel den fleißigen Bienen bald nach dem Fest neue Bienenstöcke und die Schneiderinnen nähten dem Imker einen modischen Anzug. 


© Annette Paul






Annette Paul schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren Kurzgeschichten und Kindertexte, gern etwas zum Schmunzeln. Von ihr sind folgende Weihnachtsbücher: "Der ganz normale Weihnachtswahnsinn", "Ratte Prinz im Weihnachtsbaum", "Weihnachtsmann im Weihnachtsstress" und "Weihnachtsmann hat noch mehr Stress".

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