Freitag, 20. Dezember 2013

Traumzeit-Geschichten - Winterträume von Marika Krücken



 
Leseprobe: - Ein wundersamer Traum

Als wieder einmal das Jahr zu Ende ging, zeigte der Winter mit kräftig aufgeblähten Wangen was er alles konnte. Carolina schaute vom Küchenfenster aus dem brausenden Schneetreiben zu.
„Mama, warum sieht der Regen weiß aus?“ Sie drehte sich um und schaute ihre Mutter fragend an.
„Weil der Regen, wenn es sehr kalt ist, als Schnee zur Erde fällt“, erklärte ihr die Mutter.
„Hhm“, nachdenklich legte das Mädchen einen Finger an ihre Nasenspitze, „aber warum ist der Schnee weiß?“
„Weil es jetzt Zeit zum Schlafen ist und gleich der Sandmann kommt. Ich lese dir noch eine Geschichte vor“, versuchte Carolinas Mama ihre kleine Tochter abzulenken.

Dick vermummt, einen viel zu großen Mantel an, Schal, Mütze, Handschuhe und schwere Stiefel an den Füßen, so klopfte der Winter polternd an das große Eisentor des Mondes. Er freute sich riesig, weil er endlich wieder gebraucht wurde und so richtig nach Herzenslust
wintern konnte. „Meister Mond, du kannst nun einige deiner Sternenkinder an ihren Platz am Himmel stellen. Für heute bin ich mit meiner Arbeit fertig und rechtschaffen müde. Ich glaube, ich habe mir jetzt ein kleines Nickerchen verdient!“
Der Mond beeilte sich der Aufforderung des Winters nachzukommen, damit alles seine Ordnung hatte und die Eltern der Kinder sich nicht
beschwerten. Die kleinen Mädchen und Jungen wollten nicht eher ins Bett gehen und schlafen, bevor es draußen dunkel war und die Sterne am
Himmel leuchteten.
Hastig lief er zur großen Trommel und trommelte, was die Stöcke hielten, damit auch die letzten Schlafmützensternchen ihn hörten und wie der
Blitz angerannt kamen. „Los, los! Schnell auf eure Plätze! Der Winter hat
aufgehört zu schneien. Es soll eine schöne, sternklare Nacht werden.“
Die kleinen Sternchen reckten und streckten sich, gähnten und rieben sich die Augen blank. „Meister Mond, ist es denn schon wieder so weit? Wir sind doch noch so müde“, maulten sie. Besonders Goldlöckchen, Silberschweifchen und Purzelchen fiel es immer am schwersten von allen.
„Ja, ja, es ist doch immer dasselbe. Morgens wollen sie nicht ins Bett und abends finden sie nicht wieder hinaus“, donnerte Meister Mond.
Die Sternchen flitzten in alle Himmelsrichtungen auseinander und stellten sich - ein jedes auf seinen Platz. Der Mond lief noch schnell zum goldenen
Himmelstelefon. Umständlich kramte er einen Zettel aus seiner Tasche heraus und wählte eine lange Nummer.

327        478       343        783686637         866           72636266
DAS       IST        DIE        RUFNUMMER       VOM         SANDMANN

Eine verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung fragte: „Hallo, wer ist dort?“
„Guten Abend, Herr Sandmann“, rief der Mond in den Apparat. „Bitte entschuldigen Sie die Störung. Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass es Zeit wird, die Kinder ins Traumland zu führen.“
„Oje, ist es wirklich schon so spät? Dann muss ich mich aber sputen!“
Der Sandmann packte seinen großen Sack, schwang ihn über die Schulter und machte sich auf den Weg.

An dieser Stelle machte Carolinas Mama eine Pause und schaute auf ihr kleines Mädchen. Carolina hatte die Augen geschlossen und schlief tief und fest. Die Mutter stand auf, löschte das Licht und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Behutsam zog sie die Tür ins Schloss.

„So, jetzt nur noch schnell zur kleinen Carolina und dann ab ins warme Wolkenbett“, gähnte der Sandmann und ließ sich prustend aufs Dach fallen. Er kletterte durch den Schornstein hinunter. Leise öffnete er die Kinderzimmertür. „Mal sehen, welchen Traum wir noch für Carolina haben.“
Ein glänzender Sandstrahl flimmerte durch das Zimmer, so als würden Millionen kleiner Sternchen tanzen. Sie legten sich auf das schlafende Kind und deckten es zu.

In einem kleinen Fischerdorf in Grönland stand Anuks Vater traurig und mit leerem Korb vor seiner Familie. Er hatte schon wieder keine Fische
gefangen und morgen war Weihnachten. Seit Tagen war es bitter kalt. Der See war fast bis auf den Grund zugefroren. Die Menschen und Tiere fanden keine Nahrung. Selbst die Tränen an ihren
Augen waren keine Tränen. Sie lagen als kleine Eiskristalle auf den Gesichtern.
„So kann es nicht weitergehen“, sagte Anuks Vater. „Ich gehe zur weisen Frau. Sie muss uns helfen.“
Erschrocken schlug Anuks Mutter die Hände vors Gesicht. „Zur weisen Frau!“, rief sie. „Aber der Weg ist doch so weit und beschwerlich.“
„Es hilft nichts!“, erwiderte Anuks Vater. „Ich muss es versuchen und Anuk wird mich begleiten.“
Es war wirklich kein leichter Weg. Sie mussten durch Unterholz und tiefes Gestrüpp. Der Wind blies ihnen die Zweige der Bäume ins Gesicht. Die weise Frau wohnte in einer Höhle im Wald. Sie wollten schon aufgeben und wieder umkehren. Da endlich kamen sie an eine kleine Lichtung und
fanden den Eingang zur Höhle. Zögernd traten sie ein.
Anuks Vater rief: „Hallo, ist dort jemand?“
Aus der Tiefe der Höhle schallte sein Echo zurück.
„Wer wünscht mich zu sprechen?“, antwortete ihnen eine Stimme.
„Ich bin ein Fischer, unten aus dem Dorf und das ist mein Sohn Anuk. Wir wissen uns keinen Rat mehr. Die Tiere und Menschen finden keine
Nahrung, weil es so bitter kalt und der See zugefroren ist.“
Die weise Frau trat aus der Dunkelheit heraus.



Homepage von Marika Krücken: http://traumzeit-geschichten.de

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