Montag, 16. Dezember 2019

Opa Karl, Anton und der Nikolaus! Von Ronald Vinskis



Bild von Krisi Sz.-Pöhls
„He, du Opa!“
„I bin net der He!“, antwortete Opa Karl in seinem ruhigen Ton.
Fast jeden Tag bekam Anton diese Antwort etliche Male.
Doch Opa Karl war ein sehr geduldiger Mann, niemals hatte Anton seinen Opa Karl laut oder gar wütend erlebt.
Oma Bepi konnte schon mal loslegen, wenn ihr was nicht passte. Opa Karl holte sie immer schnell wieder runter. 
Anton war der Urenkel der Beiden. Er war hier genau am rechten Platz. Der kleine Knopf hatte mit seinen fünf Jahren schon einiges durch, was nicht so schön war. Anton nahm nochmal Anlauf und stellte seine Frage neu. „Hallo Opa wann kommt denn das Christkind?“
„Ja Bua , das dauert noch eine Weile.“
„Is des noch lang, noch eine lange Weile, Opa?“
„Hmm, so lang ist das auch nicht mehr. Aber so bisserl musst schon noch warten. Jetzt ist November. Und in ein paar Tagen habe ich Geburtstag. Danach geh‘n wir dann einen Adventskalander kaufen. An dem darfst du dann jeden Tag ein Türchen aufmachen. Wenn alle auf sind, dann kommt das Christkind.“
„Und sind das dann viele Türchen, Opa?“
„Ja, 24.“
„Warum???“
„Ja, weils 24 Tage bis Weihnachten sind.“
„Da muss ich ja noch soooooo lang warten.“
„Ach solang is das gar nicht Anton. Außerdem kommt dazwischen auch noch der Nikolaus.
Deinen Wunschzettel müssen wir dann auch noch schreiben! Sonst weiß das Christkind gar nicht, was es die mitbringen soll.“
Anton kniete auf der alten Ottomanen und war kurz vor dem Losheulen. Seine Augen füllten sich mit Tränen und dann platzte es aus ihm heraus. „Opa ich kann doch noch gar nicht schreiben. Ich bin doch noch nicht in der Schule!!!“
Opa Karl beruhigte ihn schnell mit seiner ruhigen Art und seiner tiefen Stimme sagte: „Anton, das is net so schlimm! Wir Beide, du und ich überlegen uns, wie wir das machen können.“
Anton holte noch einen Schluchzer, ganz unten, vom großen Fußzeh hoch und meinte dann: „Ja Opa das machende wir.“
„Ja, dann denken wir mal nach. Wir zwei beide, du und ich.“ Opa Karl kramte ein Blatt Papier, dass er immer an seinem Platz am Küchentisch bei sich liegen hatte.
„So, jetzt kann’s losgehen“, sagte Opa Karl. „Was wünschst du dir denn? Und wie wollen wir das anstellen? So dass das Christkind auch erkennt, was du magst.“
Anton überlegte kurz, dann rief er plötzlich: „Ich hab’s! Ich male einen Wunschzettel!"
„Tolle Idee, Anton!“, sagte Opa Karl und gab ihm ein Blatt.
„Ja, ich male ihm ein Bild. Dann freut sich das Christkind ganz ganz arg.“ Anton hüpfte auf der alten Ottomanen hin und her vor lauter Freude über seine gute Idee.
Oma sah das gar nicht gerne und wollte gerade losschimpfen. Da rief Anton aber schon: „Ja, ein Feuerwehrauto!!!“
Anton nahm einen roten Farbstift aus seinem Farbkasten und malte los. Das Feuerwehrauto gelang ihm nicht so richtig. Aber man konnte sehen, was es sein sollte. Zwei blaue Lichter malte er auch noch aufs Dach und tatütata, dass Feuerwehrauto war fertig!
Opa Karl sah ihm zu bei seinem Kunstwerk. Er ließ ihn aber machen.

Anton wollte gerade seinen zweiten Wunsch auf sein Blatt malen als Oma Bepi ankam und sagte und meinte: „Des Zeigl vom Tisch, des Essen is fertig!"
„Aber Oma, ich muss doch noch mein Wunschzettelbild malen!“
„Ja, meinst du, das dir das Christkind was bringt?“, antwortete Oma.
„Ich war doch fast immer brav!!!“, protestierte Anton.
„Ja, fast und immer auch nicht!“, sagte Oma mit einem Grinsen im Gesicht und stellte die Suppe auf den Tisch.
Bei Oma gab es immer Suppe vor dem Essen. „Hmmmm“, meinte Anton nach einer Weile, „dann musst du mir halt verzeihen. Dann schreibt das Christkind in sein goldenes Buch "verziehen" dann ist alles wieder gut!“
„Meinst du das geht so einfach?“, sagte Oma und musste sich ein Lachen verkneifen.
„Ja“, sagte Anton sehr bestimmt.
„Na gut, warten wir es mal ab!“
Nach dem Essen, es gab Antons Lieblingsbratwürste mit Kartoffelsalat, malte Anton seine Wunschbilder weiter. Das war dann noch eine Eisenbahn, ein Lastauto, ein Bagger und eine Ritterburg. Ab und zu musste Opa Karl helfen, wenn das Bild nicht so wurde, wie Anton sich das vorstellte. Ja, da konnte Anton schon mal richtig grantig werden.

Einige Tage waren vergangen. Anton hatte schon zwei Türchen an seinem Adventskalander auf machen dürfen. Im Ersten war ein Bild mit einem Tannenzweig und einer Kerze drauf.Im zweiten ein bunter Roller. Damals gab es noch keine Adventskalander mit Schokolade oder Spielzeug drin. Aber sie waren sehr schön, meistens mit verschneiten Landschaften, Schlitten fahrenden Kindern oder einem Weihnachtsbaum mit Freude strahlenden Kindern drum herum und alle waren mit viel Glitzer bestreut.
„He, du Oma.2
„Ich bin net der He.“
„Ach so, Oma, wann kommt denn das Christkind?“
„Ja, dann wenn alle Türen an deinem Adventskalander offen sind.“
„Das dauert aber noch lange!“, meinte Anton etwas beleidigt.
„Aber Anton, in ein paar Tagen kommt der Nikolaus. Da musst dann ein Gedicht aufsagen! Kannst du schon eins?“
„Ja, klar!“, sagte Anton und legt gleich los:
„ADVENT, ADVENT, EIN LICHTLEITER BRENNT
ERTRAGEN EINS DANN ZWEI DANN DREI DANN VIER UND WENN DIE FÜNFTE KERZE BRENNT, DANN HAST DU WEIHNACHTEN VERPENNT!“
Opa Karl und Oma Bepi konnten sich das Lachen nicht verkneifen.
Dann meinte Oma: „Ja mei Bua wo hast den das her ? Das kannst dem Nikolaus nicht aufsagen. Sonst holt der gleich die Rute raus.“
„Da hab ich von Toni aus dem zweiten Stock“, sagte Anton ganz stolz.
„Der bringt dir ja Sachen bei!“
„Oma, weißt du ein Besseres?“ Toni war schon etwas größer, er ging schon in die zweite Klasse und war ein kleines Schlitzohr. Er hatte immer einen Schabernack bereit.
„Da musst das Gedicht dann schon richtig aufsagen“, sagt Oma Bepi. „Wir zwei lernen das, wenn ich vom Einkaufen komm, ok?“ Schwupp und schon war Oma Bepi weg.

Es war ein trüber Tag, der Nikolaus Tag in diesem Jahr. Schnee fiel in dicken Flocken und Anton hatte Angst, der Nikolaus würde ihn nicht finden. „He, du Opa.“
„Ich bin nicht der He!“
Also gut, fing Anton wieder von vorne an. „OPALE, was ist, wenn der Nikolaus bei dem Wetter nicht zu uns findet? Aber Opa, wenn er doch nix sieht bei dem Nebel und dem Schnee! Oder wenn er im Schnee stecken bleibt wie mein Papa an deinem Geburtstag! Was ist dann? Dann kriegen die Kinder alle nix? Und dann, und dann sind alle traurig?“
„Oh, mein Bua.“
„Ich bin nicht der Bua, ich bin der Anton!“
„Oh, oh, Opa Karl, da gab's jetzt mal eine Retourkutsche. Anton schaute bockig von seinem Ottomanen. Die Arme verschränkt und eine Schnute drückte er hin zum Fürchten.
„Also Anton, der Nikolaus hat einen Schlitten.“
„Aber da kann er doch nur den Berg runter fahren!“, sagte Anton.
„Na Anton, keinen solchen Schlitten. Das ist ein großer Schlitten und der wird von Rentieren gezogen.“
„Was sind Rentiere, Opa?“
„Ja. die sehen aus wie, wie Hirsche so ähnlich. Und davon hat der Nikolaus sechs oder acht vor seinen Schlitten gespannt und eines davon heißt Rudi und hat eine rote Nase, die leuchten kann. So finden sie immer ihren Weg. Außerdem haben so viele Rentiere genügend Kraft, den Nikolaus aus jedem Schneehaufen zu ziehen.“
„Dann muss ich keine Angst haben, dass der Nikolaus nicht kommt?“
„Nein Anton, der kommt gewiss. Hast dein Gedicht gelernt?“
„NIKOLAUS DU SOLLST JETZT KOMMEN, DENN ICH HAB MIR FREI GENOMMEN EXTRA VOM KINDERGARTEN NIKOLAUS ICH KANNS KAUM ERWARTEN.“
„Das habt ihr ja gut gemacht“ lobt Opa Karl.
„Ja, Oma weiß schöne Gedichte, gell? Wie lange muss ich jetzt noch auf den Nikolaus warten Opa?“
„Bis es draußen dunkel ist und du an die Reihe kommst.“
„Aber wann ist denn das?“
„Das hörst dann schon, wenn die Kettenanhänger auf der Treppe rasseln.“
„Aber jetzt ist es ja noch gar nicht dunkel.“
„Ja mein Freund und Kupferstecher, ja, da musst jetzt noch ein bisschen warten. Um sechs gibt's Abendbrot. Danach wird der Nikolaus kommen.“
„Opa wann ist sechs?“
„Da schau mal auf die Uhr!“ Opa zeigte zum Regulation an der Wand. „Wenn der kleine Zeiger nach unten zeigt und der große nach oben, dann ist's sechs!“
„Der kleine steht ja erst auf dem Dreier und der große? Die Zahl kenn ich noch net. Was heißt des dann Opa?“
„1o nach 3“, sagt Opa Karl geduldig.
„Aber Opa, das ist doch gar kein Zehner! Zehner sind doch zwei Zahlen.“
„Das stimmt schon, Anton. Doch die Zahl unter dem großen Zeiger zeigt die Stunden an, wenn du jetzt das Zifferblatt anschaust, dann siehst du rundherum lauter kleine Striche, das sind die Minuten. Wenn du die zählst, von oben, dann ist der große Zeiger auf Zehn. Gut, jetzt nicht mehr. Der Zeiger ist schon zwei Striche weitergegangen. Der wollte nicht warten, bis dir das erklärt habe.“
„Ach so“, sagte Anton ganz klug.
Ob er das wohl verstanden hat, fragte sich Opa Karl.
Oma Bepi meinte nur: „Deine Geduld möchte ich haben!“

Die Zeit verging. Opa musste noch einige Male die Uhr erklären. Aber dabei wurde ihnen die Zeit nicht lang, bis der Nikolaus kam.
Auf einmal polterte es auf der Treppe. Eine Kette rasselt. Dann war da ein Pochen an einer Tür zu hören. Es wurde ganz still im Treppenhaus.
„Is der Nikolaus schon da?“, wollte Anton wissen.
„Ja“, sagte Opa Karl, „der ist jetzt wahrscheinlich bei Toni! Danach wird er zu Roswitha gehen.“
„Und dann kommt er zu mir?“, fragte Anton. „Vergisst er mich auch nicht?“
„Nein, Anton, der vergisst kein Kind“, antwortete Opa Karl . „Aber bist du auch sicher, dass du brav warst? Gibt Geschenke oder die Rute?“
Oma Bepi meinte:“Hmmmm, ich glaub immer, der kommt mit der Rute!“
„Gar net“, protestierte Anton. „Ich war meistens lieb!“
„Na ja, so manchmal klatsch halt nicht. Zum Beispiel, wenns Kohlrabi gibt, gell?“, meinte Oma mit einem Lächeln im Gesicht.
„Hat das der Nikolaus auch aufgeschrieben?“
„Ja klar, der Nikolaus weiß alles.“
„Auch, wo ich die Roswitha raus geschmissen hab?“
„Wirst dann schon sehn!“, sagte Oma.
Und plötzlich rasselt wieder diese Kette auf der Treppe und es waren schwere Schritte zu hören.
Anton bekam es jetzt doch etwas mit der Angst zu tun. Er zitterte wie Espenlaub. Ihm fiel so manche unschöne Geschichte ein.
Das Rasseln der schweren Kette hörte auf und es pochte an die Tür. Opas Kanarienvögel flatterte hin und her in ihrem Käfig. Die Wellensittiche rückten ganz eng zusammen und protestierten lauthals. Anton verschwand unter dem Küchentisch und machte sich ganz klein.
Opa öffnete die Tür.
„Wo steckt der Anton“, sagte eine tiefe Stimme.
Ganz leise piepste es unterm Tisch hervor. „Hier!"
„Na, dann komm mal raus! Dass ich dich auch schauen kann!“
Ganz vorsichtig krabbelte Anton unter dem Tisch vor und zitterte noch mehr zuvor.
Der Nikolaus war ein großer Mann, größer als Opa Karl und hatte einen noch dickeren Bauch als Opa.
Vorsichtig schaute Anton dem Nikolaus in das lächelende Gesicht mit dem langen, dichten und schneeweißen Bart.
Das freundliche Gesicht nahm Anton die ganze Angst und er begann auch etwas zu lächeln.
Der Nikolaus setzte sich auf den Stuhl, den Opa Karl ihm angeboten hatte.Knecht Ruprecht blieb stehen.
Nikolaus schlug das goldene Buch auf, runzelte die Stirn und strich sich über den weißen Bart.
„Anton, komm mal zu mir“, sagte er mit ruhiger Stimme.
Nebenbei öffnete er den großen Sack, den er bei sich hatte.
„Na, Anton? Warst du auch immer schön brav?“
Kleinlaut antwortete dieser: „Fast immer, ja fast immer.“
„Aha! Nur fast? Sagst du mir, was du angestellt hast?“, wollte der Nikolaus von Anton wissen.
Der kleine Anton sah ängstlich vor sich hin und seine Augen füllten sich mit Tränen.
„Na gut, dann sag ich dir's mal. Dass du das nie wieder vergisst. Du hast deiner Oma Bepi eine ungehörige Antwort gegeben. Hier in meinem Buch steht geschrieben: Anton gab seiner Oma auf einen Hinweis zur Antwort: „Das hätte mir ein Ochs sagen können, dann wärst du gscheiter blieben! Da war Oma sehr traurig. Deinem Opa Karl hast du auf dem Heimweg vom Plärrer nicht gefolgt. Er hat sich sehr darüber geärgert. An Sonaten hab ich nix Besonderes in meinem Buch stehen. Das kann ich gerade noch so stehen lassen …
Da steht aber noch was. Au, au Anton, Anton! Du hast der Frau Wiedemann die Zunge raus gestreckt. Du weißt schon, dass du das nicht tun darfst!“
Von Anton kam nur ein leises "ja".
„Warum hast du das dann doch gemacht?“, wollte der Nikolaus wissen.
„Weil sie immer mit allen Kindern schimpft, und weil sie uns immer anschreit!“, protestierte Anton.
Ja, da kam der Nikolaus bei Anton grad an den Rechten.
„Opa Karl schreit nie mit mir!“, hing Anton noch hinten dran.
„Oma schimpft auch manchmal. Aber sie schreit nicht!!!“
„Na, dann wollen wir das mal gut sein lassen, Anton.“
Dem kleinen Anton fiel ein Stein vom Herzen, dass man ihn im Nachbarland noch plumpsen hören konnte.
„Kannst du auch beten, Anton?“
„Ja, aber ich hab doch ein Gedicht gelernt“, sagte Anton etwas enttäuscht.
„Also gut, dann beten wir zuerst und dann darfst du noch ein Gedicht aufsagen.“
Da war Antons Welt wieder in Ordnung. Und er faltete brav die Hände und fing an zu beten:
„Jesulein lieb,
Jesulein gut
Mach, dass dein Kind
Nix böses tut!“
„Das war ein schönes Gebet“, sagte der Nikolaus mit einem milden Lächeln. „Jetzt sagst mir noch dein Gedicht auf!“
„Mach ich!
Nikolaus du sollst jetzt Kommen!
Denn ich hab MIR frei genommen.
Extra für dich vom Kindergarten.
Nikolaus ich kanns kaum erwarten.“
„Sehr schön“, lobte der Nikolaus und strich Anton übers Haar. „Jetzt will ich dich auch nicht länger warten lassen!“ Knecht Ruprecht öffnete den Sack und der Nikolaus griff hinein.
Oma Bepi stellte einen weihnachtlichen Teller auf den Tisch und der Nikolaus packte ihn richtig voll. Da kamen Äpfel, Orangen, Mandarinen und Lebkuchen, die herrlichen duftenden, . Und dann kamen da noch eine Menge Walnüsse , Haselnüsse und auch Erdnüsse waren dabei. Zum Schluss kam noch ein Hexenhaus voll mit Lebkuchen, ein Lebkuchen-Nikolaus und einer aus Schokolade.
Anton strahlte wie ein Honigkuchenpferdchen. Auf einem Teller hätte das alles keinen Platz gehabt. Es wurde halt alles auf zwei verteilt.
Anton bedankte sich mit einem Drücker und machte dann noch eintreffen Diener. So wie man das 1955 machte. Jungs ein Verbeugung, Mädels einen Knicks!
Nikolaus und Knecht Ruprecht verabschiedeten sich und zogen weiter.
Denn es warteten noch viele Kinder!
 
©Ronald Vinskis


Krisi Sz.-Pöhls
lebt recht zurückgezogen in Oppenheim am Rhein.  Malen gehört seit ihrer Kindheit zu ihren Hobbys. Mittels Fortbildungen ist die Autodidaktin Künstlerin geworden.
Sie hat die Illustrationen zu „Der Bär mit der Brille“, „Klein Henning und der Delfin“, „Rattenprinzessin Rapunzel“, „Ratte Prinz im Weihnachtsbaum“ und „Hopser will helfen“ gemalt.
Mehr von ihr auf ihrer Homepage https://salidaswelt.jimdofree.com/
oder bei www.zazzle.de/mbr/238764950947258943