Leseprobe
Es gibt Menschen,
die der Weihnachtsvirus in so einem Maße erfasst hat, dass sie schon in den
ersten Tagen des Novembers, kaum dass Halloween vorbei ist, in einen
regelrechten Weihnachtsrausch verfallen. Zu diesen Menschen zählte auch Lucy.
Dann schleppte sie unzählige Kartons voller Weihnachtsschmuck aus dem Keller in
ihre Wohnung und am Ende türmten sie sich in jeder Ecke. Dann glich es geradezu
einem akrobatischen Akt, stets begleitet von einem Weihnachtslied, sich durch
die Wohnung zu bewegen. Die Wohnung glich in diesen Tagen dem Zentrallager des
Weihnachtsmannes. Während dieser Zeit nahmen sowohl Lucys Familie als auch ihre
Freunde ein klein wenig Abstand von ihr. Dem Weihnachtsmonster Lucy wollte bei
ihren Vorbereitungen lieber keiner in die Quere kommen. Cara, Lucys beste
Freundin, hatte vor ein paar Jahren den Fehler begangen, einen goldenen
Tannenzapfen an der falschen Stelle zu platzieren. Woraufhin Lucy sie ganz
außer sich aus der Wohnung gescheucht hatte. Solche Geschichten kursierten
zuhauf in Lucys Freundes- und Familienkreis. Selbst die Verkäufer in den
Dekorationsläden der Stadt flüchteten in die hintersten Ecken der Läden, wenn
Lucy auf der Suche nach neuer Dekoration einen Laden betrat. Zu oft war sie
zickig geworden, wenn sie nicht fand, was sie wollte. Doch mittlerweile hatte
Lucy die Weiten des Onlineshoppings für sich entdeckt und ihre Ladenbesuche
wurden immer seltener. Greg, Lucys Freund, der dieser Weihnachtshölle nicht so
leicht entfliehen konnte, weil er mit Lucy zusammenwohnte, graute es in dieser
Zeit jeden Tag davor, von der Arbeit wieder nach Hause zu kommen, solange sich
Lucy in „diesem Zustand“ befand. Natürlich liebte er Lucy. Und natürlich
verbrachte er die eigentlich besinnliche Weihnachtszeit gerne mit ihr. Wenn
Lucy doch nur nicht so übertreiben würde! Gerade steckte er den Schlüssel in
die Wohnungstür, als sein Blick auf die neue Fußmatte fiel. In roten Lettern
prangte darauf ein „Merry X-Mas“ und das Einzige, was er bei diesem Anblick
denken konnte, war: „Ja, ja … Merry Kiss My Ass!“ Ein Grinsen breitete sich auf
seinem Gesicht aus, das jedoch sofort in sich zusammenfiel, als er die Wohnung
betrat. Was zum Teufel hatte Lucy da wieder angestellt? Über den ganzen Boden
des Wohnzimmers lagen Lichterketten verteilt. Sie blinkten und leuchteten in
allen Farben. Greg fühlte sich, als hätte er gerade einen Club betreten. Nur
dass derjenige, der für die Beleuchtung zuständig war, anscheinend ein paar
Bier zu viel gehabt hatte. Das Sofa war unter einem Berg aus Weihnachtskugeln,
glitzernden Anhängern und Tüten voller sonstigem Kram vergraben. Nur noch ein
Teil der Lehne lugte gerade so aus diesem Wirrwarr heraus. Greg schnappte
wütend nach Luft und versuchte dann vorsichtig das Wohnzimmer zu durchqueren,
um in der Küche etwas auf den Schreck zu trinken. Doch als er die Küche betrat,
konnte er nicht einmal den Kühlschrank finden. Der gesamte Raum war von
Weihnachtsmännern, Schneemännern, Rentieren und weiß der Teufel was noch in
allen Größen und Formen bevölkert.
Autorenvita
Kerstin Ax wurde 1982 in einer mittelhessischen Kleinstadt
geboren und lebt noch heute zusammen mit ihrem Mann dort. Schon in ihrer
Kindheit und Jugend verfasste sie Kurzgeschichten und Gedichte.
Ihr erster Roman "Geheimakte Eden - Jedes Ende hat auch
einen Anfang" erschien im Jahr 2009.
"12 Briefe und ein Wunder" ist der erste
Liebesroman der Autorin. Es sollen natürlich noch viele weitere Bücher und
Kurzgeschichten aus ihrer Feder folgen. Denn der Fantasie sind ja bekanntlich
keine Grenzen gesetzt.
Weitere Informationen unter: www.kerstin-ax.de