Foto von Ingeborg Höverkamp |
Veilchenblaue Schatten kündigen ihr
Kommen an. Der Himmel ist von einem transparenten Frostrot. Irgendwo bellt ein
Hund. Der Schnee knirscht unter den Schuhen. Fast schmerzt das Atmen in der
eisigen Luft.
Und nun ist sie da. Die Wintersonne. Ein
Feuerball am Morgenhimmel. Nachtgedanken löscht sie einfach aus. Es ist, als
glitzerten Milliarden Diamanten im Schnee. Die schneebedeckten Berge, vor
wenigen Minuten noch dunkel und drohend, flammen frostrot. Silberhell ertönen
die Glöckchen der Pferde, die mit dampfendem Atem die uralten, bunt bemalten
Schlitten vom Tal herauf ziehen.
Mittag. Zu keiner anderen Jahreszeit
feiert die Natur ein so verschwenderisches Lichtfest wir in dieser winterweißen
Landschaft. Weich und fließend werden die Konturen. Gleißende Lichtkaskaden
loten die Grenze des Erträglichen für das menschliche Auge aus.
Vor dem alten Bauernhaus sitzt eine
schwarze Katze in der Morgensonne. Sie schnurrt behaglich, als ich sie
streichle. Ihr Fell ist seidig und sonnenwarm. Von den Eiszapfen, die vom Dach
fast bis zur Erde reichen, tropft es.
Allmählich werden die Schatten
länger. Das Licht erscheint jetzt in einem leuchtenden Goldton. Berge, Hügel
und Täler sind wie mit Goldstaub überzogen. Jetzt treten die Konturen wieder
schärfer hervor. Aus dem Tal steigen feine Nebelschleier. Ein Hauch von
Abschied liegt in der Winterluft. Die Geräusche aus dem Tal dringen wie
verschlafenes Vogelzwitschern herauf. Schließlich verstummen alle Laute.
Und nun beginnt die Sonne mit ihrem
Feuerwerk. Es ist, als setze sie die Berge in Flammen. Dunkelrot lodernd. Man
glaubt, im Schnee leuchtende Rubine zu sehen.
Die ersten Sterne blinken am
Abendhimmel. Langsam verblasst das Glühen. In dem Augenblick, in dem die Sonne
hinter den Berggipfeln verschwindet, legen sich nachtblaue Schatten auf die
Schneedecke. Und dann wird es bitter kalt. Gedanken an heissen Tee und Kaminfeuerwärme
bewirken, dass man die Schritte beschleunigt. Der Schnee knirscht unter den
Schuhen. Irgendwo bellt ein Hund. Das helle Licht des Vollmondes weist uns den
Weg. Bald tauchen die erleuchteten Fenster unseres Hauses. auf.
Ingeborg Höverkamp,
wohnt in der Nähe von Nürnberg, Studium der Geschichte und der
Anglistik, bis 1990 Lehramt, seitdem freie Autorin und Dozentin.
Mitglied im Freien Deutschen Autorenverband, im VS und im Frankenbund, Leiterin der Schreibwerkstatt Blaue Feder.
Elisabeth-Engelhardt-Literaturpreis,
Auszeichnung für Lyrik, 1. Prosapreis der Stadt Nürnberg, Aufnahme in
das Internationale Lexikon "Outstanding Writers of the 20th Century
Veröffentlichungen:
u.a. Mondstaub, Gedichte, Elisabeth Engelhardt, Biografie, Zähl nicht,
was bitter war, Roman, Tödlicher Tee, Krimi, Nie wieder Krieg, Hrsg.,
Von der Trümmerstadt zur Frankenmetroploe, Hrsg.