Foto von Renate Hupfeld |
Es beginnt zu dämmern.
Sofastündchen. Träumen, über die Häuser der kleinen Stadt hinweg bis zum
Horizont, wo die untergehende Sonne gerade einen lilarotblauen Schimmer zurück
gelassen hat. Irgendwo in weiter Ferne geistern die zwei, ganz eng beieinander,
schauen hinüber zu ihr. Klara und Rudi. Weißt du noch, Monika? Wie aus einem
Mund. Sie lächelt zurück.
Klar weiß ich noch. Immer wieder
fragt ihr das. Und immer wieder erzähle ich es euch. Hier im Häuschen auf dem
Schlossberg hatten wir einen schönen großen Tannenbaum mit Kerzen, dicken roten
Kugeln und bunten Päckchen darunter. Wenn es zu dämmern begann, kam eure
Vorlesestunde. Gianni saß oben bei euch im Sofa, rechts die Oma, links der Opa,
und hörte die Geschichte von dem kleinen Jungen und der abenteuerlichen
Schlittenfahrt über die Weihnachtswiese zum Mond. Er konnte es doch gar nicht
abwarten, bis Sunny und ich hier unten alles vorbereitet hatten, es dunkel
wurde, das Glöckchen klingelte und er das Treppengeländer runterrutschen
konnte. Bis in die Haarspitzen aufgeregt stand er vor dem Lichterbaum. Was
hatte das Christkind ihm gebracht? Doch bevor er nach den Päckchen schauen
durfte, las Oma die Weihnachtsgeschichte vor. Von den fünf Hirten, denen auf
dem Feld ein Engel erscheint und sie auffordert, dem Stern über Betlehem zu
folgen, extra für ihn neu aufgeschrieben. Dann nahm Opa seine Gitarre und
stimmte das Lied vom Kind in der Krippe an und gemeinsam sangen wir fünf von
der großen Freude bei den Tieren im Stall. Wenn Gianni dann endlich auspacken
durfte, verkroch er sich mit seinen Geschenken in der Sofaecke und spielte, bis
ihm die Augen zufielen. Wir vier Erwachsenen konnten uns in Ruhe dem
Weihnachtsmenü widmen.
So ging das Jahr für Jahr und jetzt
bin nur noch ich hier.
Sunny?
Nun, ich bin ja geduldig und
erzähle euch auch die Geschichte noch mal und immer wieder. Es wurde für ihn
schwierig eine Arbeit zu finden und der Schlossberg war dann doch nicht seine
Welt. Er konnte die kleine Bar seines Bruders in Palermo übernehmen. Ja, genau
die auf der Via Roma in der Nähe der Kathedrale, in der ich ihn seinerzeit beim
Cappuccino kennengelernt hatte und wir immer wieder unser Lied hörten.
Gianni?
Verdammt schwere Zeiten waren das,
nachdem er zu seinem Vater nach Sizilien gegangen war. Der kann nun seine Hilfe
sehr gut gebrauchen, vor allem in der Saison.
Einsam heute?
Nein, nein, ihr lieben
Fragegeister. Mein Bäumchen steht schon im Wintergarten, mit vielen bunten
Kleinigkeiten daran und Stern in der Spitze. Wenn es nachher dunkel wird,
werden die Lichter zu euch hoch leuchten. Wir werden uns zuwinken.
Danach gibt es mein Highlight, das
Weihnachtsmenü. Diesmal habe ich was ganz Besonderes vorbereitet. Bowl for one,
nenne ich es. Nach einem rote Beete Süppchen mit Ingwer und Cashewcreme gibt es
eine Bowl. Was das ist? Meine Bowl ist ein grünes Schüsselchen, in dem alles schön
verteilt wird, Feldsalat mit Orangen Walnuss Dressing, fein gewürzte
Süßkartoffelecken aus dem Backofen, Lupinenbraten mit Mandelsoße und Topping
aus Sprossen, gerösteten Kokoschips und schwarzem Sesam. Zum Dessert gönne ich
mir eine Kombination aus Schoko- und Vanillemousse mit Himbeeren obendrauf und
zum Espresso gibt es ein Marzipantörtchen, bestreut mit Zucker und Zimt.
Der Weihnachtsabend klingt dann aus
mit unserem Lied. Ihr kennt es doch: „Sunny, yesterday…“.
Morgen gibt es den Weihnachtsbrunch
bei Inge und Heiner.
Ach ja, und im Frühjahr reise ich
wieder nach Palermo.
Renate Hupfeld wohnt in Hamm in Westfalen. Sie schreibt historische
Erzählungen, Kurzgeschichten, Reiseberichte, Essays und Lyrik und
veröffentlicht ihre Publikationen in Form von eBooks und Taschenbüchern.
Homepage: http://www.renatehupfeld.de/
Facebook: http://www.facebook.com/renate.hupfeld
Autorenseite: http://www.amazon.de/Renate-Hupfeld/e/B005PW0IYG/ref=sr_ntt_srch_lnk_1?qid=1418372947&sr=8-1