Die siebenjährige Caroline steigt schüchtern die Stiegen im Treppenhaus
hinauf zu Frau Weber, die sie aber in ihren Gedanken „Webertante“ nennt. Eine
alte Frau, die ihr ansonsten Angst einflößt, denn sie lässt das kleine Mädchen
nicht auf der Wiese vorm Haus spielen. Doch sie überwindet ihre Furcht, denn es
ist Adventszeit und jedes Jahr im Dezember erzählt die ansonsten so
griesgrämige Frau ihr eine Geschichte über das Christkind.
Vor wenigen Tagen schrieb Caroline ihren Wunschzettel und wie all die
Jahre davor, legte sie ihm gemeinsam mit ihrer Mutter, diese buntverzierten
Zeilen zusammengefaltet und mit einer brennenden Kerze beschwert, abends vor
das Küchenfenster. Ach, welch Freude in den Augen des Kindes, wenn morgens der
Brief verschwunden war.
»Das Christkind hat ihn gestern Abend mitgenommen, als es die Häuser
abflog und die brennende Kerze in unserem Fenster sah. Sei gespannt, es wird
dir vielleicht eins deiner Wünsche erfüllen«, sprach die Mutter zu ihrer
kleinen Tochter. Die Augen des Mädchens glänzten, denn sie wünschte sich so
sehnlich ein Puppenhaus.
Caroline klingelt und hört die schlürfenden Schritte von Frau Weber, die
ihr mit einem Ruck die Wohnungstür öffnet.
»Ja?«, mehr sagt die Frau nicht, denn jedes freundliche Wort war ihr
fremd.
»Guten Tag. Erzählst du mir die Geschichte vom Christkind?«, fragt das
Kind schüchtern.
»Komm herein und setze dich in die Küche.« Sie läuft vor dem Mädchen in
besagten Raum und stellt ihr altmodisches Bügeleisen, das noch mit Kohle
beheizt wird, auf den Ofen. Sie hatte viele Schicksalsschläge in ihrem Leben
hinnehmen müssen und war nun eine verhärmte alte Frau geworden, die im Innern
aber ein gutes Herz besaß und sich jedes Jahr freute, wenn die kleine Caroline
zu ihr in ihre Wohnung kam. Doch das Betreten des Rasens vor dem Haus würde sie
nie erlauben, denn Ordnung musste nun einmal sein. Jetzt werden ihre
Gesichtszüge weich und sie beginnt zu erzählen:
»Jedes Jahr schmückten wir den Weihnachtsbaum mit unserer Mutter. Wir
waren vier Kinder und ein buntes Durcheinander herrschte, wenn es darum ging,
was wir aufhängen wollten. Doch Mutter entschied und somit verzierten wir wie
jedes Jahr, die große Tanne mit roten Kugeln und Holzfiguren. Das silberne
Lametta platzierte Mutter alleine auf den Christbaum, Faden für Faden über
jeden einzelnen Zweig. Mit großen Augen verfolgten wir dieses Geduldsspiel.
Trotz jährlichem Betteln von uns Kindern, blieb die Spitze des Baumes
ungeschmückt. Denn diese berührte die Decke, so riesig und ausladend war unser
Baum. Ach, so gerne hätten wir auch einen Engel an die Spitze gesteckt, wie
unsere Klassenkameraden, aber Mutter lehnte dies strikt ab. Dann schickte sie
uns ins Bett.
Am frühen Morgen wachte ich zeitig auf. Es war Heiligabend. Leise
schlich ich nach unten. Ein Klang, wie ein Glöckchen, hatte mich geweckt. Die
Holzstiegen der Treppe knarrten, aber keiner hörte mich. In meinem langen
weißen Nachthemd und meinen blonden Locken, die weich meinen Rücken
hinunterflossen, sah ich wie ein kleines Engelchen aus. Plötzlich blieb ich
mitten auf der Treppe stehen und umklammerte das Holzgeländer. Welch lieblicher
Anblick bot sich mir! Unser Tannenbaum leuchtete strahlend im Kerzenschein und
die Holzfiguren spiegelten sich in den roten Kugeln. Ich hielt den Atem an,
denn der Anblick verzauberte mich. Unter dem Baum lagen unsere Geschenke, die
in diesem Moment das Christkind für uns verteilte. Endlich sah ich es mit
eigenen Augen! Es hatte wie ich ein langes weißes Gewand an, das aber glitzerte
und die blonden Locken zierten sein Antlitz. Als es die Päckchen alle unten den
Baum gelegt hatte, nahm es eine zierliche goldfarbene Trompete in seine Hände
und spielte eine Melodie. Dabei flog es noch einmal um den hell erleuchteten
Baum und verschwand aus meinem Gesichtsfeld. Wie gebannt stand ich auf unser
Treppe und schaute mit großen Augen den funkelnden Weihnachtsbaum an. Ich hatte
wirklich das Christkind gesehen! Plötzlich hörte ich von oben Stimmen. Meine
kleinen Geschwister waren erwacht und kaum gedacht, stiegen sie leise die
Treppe hinunter und schauten wie ich, verzaubert den Weihnachtsbaum an.«
Mit offenem Mund hörte die kleine Caroline der alten Frau zu, während
diese in geheimnisvollem Flüsterton die Geschichte vom Christkind erzählt
hatte. Das Mädchen war verzaubert, wie einst das Kind in der Erzählung.
»Du hast wirklich das Christkind gesehen?«, fragt es nun die alte Frau.
»Ja, das habe ich. Wenn du brav bist, wirst du es vielleicht auch sehen
und es bringt dir dein Puppenhaus.«
Verträumt steigt das kleine Mädchen wieder die Treppen hinunter und
nimmt sich fest vor, die ganze Adventszeit folgsam zu sein und am Morgen des
Heiligen Abend durchs Schlüsselloch des Wohnzimmers zu blicken. Vielleicht
sieht auch sie das Christkind in seinem langen leuchtenden Gewand mit der
goldfarbenen Trompete in der Hand.
Caroline Régnard-Mayer
Zutaten:
125 g Butter
70 g Zucker
150 g Dinkel- oder
Vollkornmehl
1,5 TL Backpulver
150 g gemahlene Haselnüsse
½ TL gemahlene Vanille
2 EL Wasser
200 g Marzipan-Rohmasse
150 g Puderzucker
1 Glas Johannisbeergelee
75 g Puderzucker
2 EL Rum (oder
Zitronensaft)
Mehl mit Backpulver auf die Tischplatte sieben, in die Mitte Zucker,
Vanille und Wasser geben und vermischen. Butter in kleinen Stücken dazugeben und
Haselnüsse hinzufügen, alles miteinander verkneten. Etwa eine halbe Stunde
kaltstellen und dann den Teig etwa 2 mm ausrollen. Runde Plätzchen ca. 4 cm ø
ausstechen und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech 8-10 Minuten bei
175° Umluft backen.
Marzipan-Rohmasse und Puderzucker verkneten, dünn auf der mit
Puderzucker bestäubten Tischplatte ausrollen und Plätzchen wie oben ausstechen.
Die erkalteten Plätzchen mit Johannisbeergelee bestreichen und mit Marzipanplättchen
abdecken.
Für den Guss 75 g Puderzucker mit Rum
oder Zitronensaft glattrühren und die Plätzchen damit dünn bestreichen. Nach
Belieben mit Haselnusskernen oder gehackten Pistazien verzieren.
Die Autorin Caroline
Régnard-Mayer lebt mit ihren beiden Kindern in Landau in der Pfalz. Nach der
Diagnose Multiple Sklerose 2004 ist sie mittlerweile als MTLA berentet.
Seit 2009 wurde sie bekannt
mit ihrem ersten Buch "Frauenpower trotz MS" ... aus dem Leben
gegriffen! Mittlerweile kamen zum 2. und 3. Teil ihr Sammelband
"Frauenpower trotz MS - Trilogie" dazu, auch "Mademoiselle
klopft an meine Tür!" darf man nicht vergessen. Ein Buch über ihre
Erfahrung mit der Krankheit Depression - ein Weg heraus, mit dem nötigen Ernst,
aber auch Humor geschrieben.
Es sind alles Mutmachbücher,
die Betroffenen und anderen chronisch Erkrankten und deren Angehörige mit
Freunden einen neuen, eben ´anderen Weg` zeigen. Mittlerweile hat sich zwei
Kochbücher geschrieben und das wichtigste Buch, ihren Ratgeber "Wir haben
MS und keiner sieht es!", erschienen 2015. Es beschreibt die unsichtbaren
Symptome bei Multiple Sklerose, informiert, klärt auf und hilft Betroffenen und
Angehörige.
Seit drei Jahren bloggt die
Autorin überzahlreiche Themen, mal informativ und schmunzelnd oder was das
Leben so bietet.
Autorenseite: www.frauenpower-ms.jimdo.com
Blog: www.caroregm.blogspot.de