Bild von Marita Sydow Hamann |
Nachdenklich kratzt sich Herr Petzold, der Förster, am Kopf. Was ist nur los in seinem Wald? Gestern Abend hat er zehn Tannen aus seiner Baumschule vor dem Weißdornbusch auf dem kleinen Hügel abgelegt. Hier lagert Herr Petzold immer die gefällten Bäume, bis sie zur Möbelfabrik abtransportiert werden. Die hübschen, kleinen Tannen aber möchte er nicht dorthin bringen. Die sind nicht für Möbel bestimmt.
Nein! Schon bald
werden Menschen aus der Stadt und den Dörfern in den Wald kommen, um sich einen
Weihnachtsbaum auszusuchen. Die Tannen des Försters sind weit und breit die schönsten
Christbäume. Das weiß jeder!
Jetzt gerade ist
Herr Petzold allerdings ziemlich durcheinander. Die eine Sache, die ihn
beschäftigt, ist, dass dieser Weißdornbusch, immer noch blüht. Und morgen ist
der erste Dezember! Die zweite komische Sache ist noch viel schlimmer! Die
schönen Tannenbäume sind nämlich schon wieder mit klebrigen, silbernen Klecksen
bedeckt. Das ist bereits das zweite Mal. Langsam wird er wütend, denn einen
solchen Christbaum will niemand haben.
„Siehst
du Papa“, ruft sein achtjähriger Sohn Dirk triumphierend, „das ist von
feindlichen Agenten, die den Wald kaputtmachen wollen.“
„Blödsinn“,
schreit Lisa, seine siebenjährige Tochter, „das ist von den Feen. Die sind
sauer, weil Papa seinen Kram auf ihren Feenhügel wirft.“
Herr
Petzold bereut es, dass er seine Kinder mitgebracht hat.
„Also wirklich!“
Er ist jetzt sehr ungehalten. „Das mit den feindlichen Agenten ist schon
Blödsinn. Das mit dem Feenhügel ist aber erst recht Quatsch!“
„Erna
hat es gesagt und die weiß Bescheid“, kräht Lisa beleidigt.
Herr
Petzold seufzt. Die alte Haushälterin im Forsthaus hat komische Ideen.
Natürlich glaubt Herr Petzold nicht an Feen. Er ist ein großer blonder Mann mit
Bart und immerhin der hiesige Förster.
Fürs
Erste bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine streitenden Kinder nach Hause
zu fahren. Dann macht er sich daran, die besudelten Bäume in einem Lastauto
abzutransportieren.
Herr
Petzold will aber unbedingt wissen, was es mit dem klebrigen Silberzeug auf
sich hat. Da kommt ihm eine Idee. Er fällt drei Bäume in der Baumschule, aber
solche, die nicht gut gewachsen sind. Die
lädt er wieder vor dem Weißdornbusch ab. Zufrieden reibt er sich die Hände.
In
dieser Nacht, als alle tief und fest schlafen, schleicht Herr Petzold aus dem
Haus. Leise geht er zu dem Platz mit dem kleinen Hügel und duckt sich unter die
weit ausladenden Zweige einer Fichte gegenüber von dem Weißdornbusch. Jetzt
liegt er auf der Lauer, seine Flinte griffbereit neben sich. Es ist sehr
unbequem, denn wie gesagt, Herr Petzold ist groß. Der Vollmond beleuchtet den
Platz vor dem Weißdorn, so dass er alles gut sehen kann. Eulen rufen und
überall raschelt es. Das ist aber nichts Ungewöhnliches nachts im Wald.
Doch
plötzlich, so gegen Mitternacht, vernimmt der Förster ein Geräusch, das nicht
in den Wald passt. Es hört sich an wie zartes Klingeln. Vorsichtig späht er
durch die Fichtenzweige. Kleine Lichtfunken wirbeln um die Stämme und klingeln
wie verrückt. Eichhörnchen und Wühlmäuse machen sich erschrocken aus dem Staub.
Ungläubig
reibt sich Herr Petzold die Augen. Die Fünkchen sind gar keine Fünkchen,
sondern winzige silberne Gestalten mit Flügeln. Nach einer Weile hört er Worte
in dem Geklingel.
Viele
feine Stimmchen rufen etwas, erbost und zornig. “Schon wieder Holz auf unserem
Feentanzhügel. Verrückter Förster!“
Da
erschrickt Herr Petzold sehr. Auf allen vieren hat er sich ganz weit nach vorne
gebeugt. Jetzt wurschtelt er sich hastig wieder nach hinten unter die
schützenden Zweige. Aber dabei macht er ein Geräusch. Sofort verstummen die
Feen, erstarren im Flug und sehen alle gleichzeitig in seine Richtung.
„Der
Förster, dieser hinterhältige, gemeine Mensch“, ruft eine wütend.
Wie
zornige Hornissen fliegen alle Feen gleichzeitig auf ihn zu. Der arme Herr
Petzold geht in Deckung. Voller Angst rutscht er auf dem Hosenboden immer
weiter nach hinten, bis er sich ganz und gar in den Zweigen verfangen hat. Die Spitzen
der Nadeln bohren sich in seinen Po. Das tut weh. Noch schlimmer aber ist, dass
er nun festsitzt. Er kann nicht mehr weg. Unter der Fichte hockend schaut er
mit großen Augen den Feen entgegen, die ganz knapp vor seinem Baum bremsen.
Dort hängen sie knapp über dem Boden in der Luft und starren ihn böse an.
„Na,
was soll denn das?“, ruft die Fee, die Herrn Petzold am nächsten ist.
Da
besinnt sich der Förster darauf, dass er eine Respektsperson ist. So wie er da
zusammen gekauert hockt, also das geht nicht! Er wurschtelt sich aus den
Zweigen, krabbelt nach vorne und richtet sich zu voller Größe auf.
Ob das
eine gute Idee war?, denkt er erschrocken, als die Feen blitzschnell auf sein
Gesicht zufliegen und knapp davor bremsen.
Eine
von ihnen sitzt ihm fast auf der Nase. Um sie anzusehen, muss der arme Mann
schielen. Die Fee hat grüne Augen, kurze helle Haare und trägt einen eng
anliegenden silbernen Anzug.
„Warum
machst du denn so etwas?“ Sie stemmt die Hände in die Hüften und runzelt die
Stirn.
„Du
kannst doch dein blödes Holz nicht auf unseren Tanzhügel werfen!“ Das kleine
Wesen schnaubt vor Empörung.
„Es, es
tut mir leid“, erklärt Herr Petzold kläglich, „das habe ich nicht gewusst. Er
fühlt sich furchtbar.
Weil er
so armselig dreinschaut, haben die Feen Mitleid mit ihm.
„Wir
sind Mondscheinfeen“, erklärt die Kleine vor seiner Nase milde, „ich bin
Prinzessin Twilla.“ Etwas strenger fügt sie nach einer Weile hinzu. „Wir
fordern, dass das Holz entfernt wird. Tust du das nicht, werden wir die Stämme
weiter bespucken.“
Feenspucke,
denkt der Förster, auf meinen Bäumen klebt Feenspucke. Irgendwie findet er das
auf einmal komisch.
„Natürlich“,
sagt er lachend, „natürlich lagere ich das Holz nicht mehr auf eurem
Tanzhügel.“
Jetzt
blicken ihn die Feen liebevoll an. Twilla fliegt auf seine Nasenspitze und gibt
ihm einen Kuss.
Noch in der gleichen Nacht entfernt der Förster die Stämme. Dann sieht er den Feen beim Tanz zu. Er erfährt sehr viel vom Leben und von den Gewohnheiten des Feenvolkes. Künftig bespricht Herr Petzold sich immer zuerst mit Erna, wenn er in seinem Wald etwas vorhat. Er will wissen, ob es ihrer Meinung nach den Feen recht ist. Manchmal klopft Twilla in einer Vollmondnacht an sein Fenster. Dann fliegt sie voraus in den Wald zu einem schönen, geheimen Platz und Herr Petzold folgt ihr. Dort führen die Feen ihm ihre Tänze vor und bewirten den Förster mit einer Tasse Mondscheintee.
Carolin Olivares Canas ist Kultur- und
Bibliothekswissenschaftlerin. Nach wissenschaftlicher Tätigkeit mit Forschungsaufenthalten
in Namibia war sie in der Familienbildung, in Schulen und einer
Grundschulbücherei beschäftigt. Für ihre Workshops für Grundschulkinder zu
unterschiedlichen Themen schrieb sie die erforderlichen Geschichten selbst. Seit
2011 arbeitet sie als selbstständige Antiquarin mit den Schwerpunkten
Kinderbuch und Kulturgeschichte. "Anna im verborgenen Königreich" ist
ihr erstes Kinderbuch.
https://www.facebook.com/carolin.olivarescanas