Illustration Krisi Sz.-Pöhls |
„Dein neues Kleid sieht wunderschön aus.“ Renate nickte
anerkennend, als Melanie sich vor ihr drehte.
„Eigentlich wollte ich mein blaues noch eine Weile tragen,
doch auf dem letzten Turnier waren Verkaufsstände und das Kleid hat uns so gut
gefallen, das ich es anprobiert habe.“
„Unglaublich. Es sieht aus, wie für dich angefertigt. Hast
du es ändern lassen?“
Melanie schüttelte den Kopf. „Es passte wie angegossen. Da ich Weihnachtsgeld bekommen habe, konnte ich es mir leisten.“
Die beiden Frauen gingen in den Saal, wo Dirk und Andreas
schon auf sie warteten. Sie hatten sich zum freien Training ohne Trainer
verabredet. Melanie und Dirk wollten das neue Kleid ausprobieren. Vielleicht
war es doch etwas zu lang und musste gekürzt werden. Während Renate und Andreas für ihren Schauauftritt bei dem Ball eines Sportvereins proben mussten.
Nachdem Melanie und Dirk jeden Tanz kurz ausprobiert hatten,
zog sich Melanie wieder um, sie wollte das neue Kleid nicht gleich
durchschwitzen. Es reichte, zu wissen, dass es auch beim Bewegen perfekt saß.
Andreas maß den Saal aus und stellte Stühle hin. „Die Fläche
ist leider ziemlich klein“, stöhnte er und kratzte sich am Hinterkopf. Gemeinsam
überlegten sie, wie die Beiden ihre Folgen kürzen konnten, um mit der Fläche
zurechtzukommen. Es dauerte eine Weile, bis sie die Figuren zusammengebastelt
hatten. Das Ergebnis sah wirklich gut aus.
„Wollt ihr nicht mitkommen?“, fragte Andreas, nachdem auch
Melanie und Dirk in der abgesteckten Hälfte trainiert hatten.
„Wir können nicht einfach dort auftauchen“, wehrte Melanie
ab. Nein, sie hatte keine Lust. In der Weihnachtszeit war im Buchladen so
viel zu tun, dass sie abends froh war, sich aufs Sofa zu legen und zu lesen
oder fernzusehen.
„Ihr könnt uns hinterher davon erzählen“, meinte Dirk und
Melanie lächelte ihn dankbar an.
Doch drei Tage später rief Dirk bei Melanie an.
„Entschuldige bitte. Ich habe dich hoffentlich nicht geweckt.“
Melanie schaute auf die Uhr, obwohl es erst kurz nach acht
Uhr war, hatte sie sich schon hingelegt. Die Beine schmerzten vom langen Stehen und sie war müde.
„Andreas hat eine Nierenentzündung und liegt flach. Renate
fragt, ob wir für sie auftreten können.“
„Wir sind doch gar nicht so gut“, meinte Melanie.
„Gut genug. Immerhin in der A Klasse“ Dirk klang amüsiert. „
Wir müssten um neun auftreten und können anschließend den Ball mitmachen.
Du musst jetzt sagen, ob du Lust hast oder ob es dir zu viel wird.“
Eigentlich fühlte sich Melanie zu erschöpft, um jetzt so eine
Entscheidung zu fällen. Doch dann dachte sie an das Frühlingsfest im Verein und
wie viel Spaß es ihr gemacht hatte. Außerdem hatte sie sich im letzten
Schlussverkauf ein schönes, langes Kleid gekauft, das sie noch nie angezogen
hatte.
„Ich muss bis halb sieben arbeiten. Das schaffe ich sicher“,
murmelte sie.
„Ich hole dich daheim ab und frage den Veranstalter, ob wir etwas später erscheinen können.“
Als Melanie am nächsten Morgen ausgeschlafen hatte, freute
sie sich tatsächlich auf den Ball. Eine Gelegenheit ihre beiden neuen Kleider
vorzuführen.
Der Samstag kam sehr schnell. Einmal hatten sie nur geprobt,
aber Dirk hatte ihre Bedenken zerstreut. „Wir tanzen unser Programm, das reicht
doch. Etwas kleinere Schritte, damit wir nicht über die Fläche hinausschießen.“
Auch Dirk arbeitete in der Weihnachtszeit als Fotograf länger als sonst. Viele Familien ließen Bilder als Weihnachtsgeschenke machen. Trotzdem
holte er Melanie am Samstag pünktlich um acht Uhr ab.
Melanie kam gerade aus der Dusche und hatte noch nasse
Haare. Sie umarmte und küsste ihn.
„Ich schaffe es nicht.“
„Ganz ruhig. Lass dir Zeit, sie werden schon auf uns warten“,
tröstete Dirk. „Auf die Ansprachen habe ich sowieso keine Lust.“
Später zog er den Reißverschluss des Kleids hoch und besprühte
ihre hochgesteckten Haare mit Haarlack.
Sie trafen rechtzeitig ein und Dirk gab dem Discjockey eine
CD mit ihrer Tanzmusik. Anschließend beobachteten sie den Auftritt einer Kunstradtruppe,
dann zogen sie sich um. Als sie den Saal betraten, hörte Melanie
bewundernde Bemerkungen. „So ein schönes Kleid.“ Dirk zwinkerte ihr zu.
Der erste Vorsitzende stellte sie vor und sie begannen mit einem Langsamen Walzer. Die Fläche war wirklich erschreckend klein und zudem sehr glatt. Dirk
machte kurze Schritte und Melanie war so konzentriert, dass sie sich völlig
verkrampfte.
In der ersten Pose beugte sie sich nach hinten und hing mit
ihrem Kopf fast in einem Weinglas. Die Frau an dem Tisch schob es hastig zur
Seite. Melanie musste grinsen. Danach war sie lockerer und lächelte die
Zuschauer an. Die lächelten zurück und applaudierten. Alles ging gut. Als letzter
Tanz kam der Quickstepp. Dirk bewegte sich verhalten und Melanie achtete darauf,
die Füße sauber zu setzen, um nicht ins Rutschen zu kommen. Mitten in den Sprüngen
bremste Dirk abrupt und riss sie zur Seite.
Melanie sah im Fallen die erschrockene Kellnerin, die vor
Schreck das Tablett losließ. dann saß sie auf einmal einem fremden Herrn auf
dem Schoß. Der reagierte schnell und umfasste ihre Hüfte, damit verhinderte er,
dass sie hinunterfiel.
Dirk taumelte, ruderte mit Armen und Beinen, fing sich im letzten Augenblick und blieb
nach dieser artistischen Einlage auf den Füßen.
„Oh, Entschuldigung“, murmelte Melanie und lief rot an.
„So ein hübsches Mädchen habe ich gern im Arm“ erwiderte
der Mann. Alle am Tisch lachten. Dirk grinste, reichte Melanie die Hand und zog
sie hoch. Sie mussten einen Augenblick warten, bis die Kellnerin die Scherben
eingesammelt und den Boden trockengewischt hatte. Der erste Vorsitzende nahm
das Mikrophon und überbrückte die Wartezeit, indem er Dirk fragte, wie häufig
sie trainierten und Melanie, wo es diese traumhaften Tanzkleider gäbe.
Endlich konnten sie den Quick wiederholen. Sie erhielten
schon nach den ersten Schritten Applaus, der in rhythmisches Klatschen
überging. Melanie lächelte die Zuschauer an und freute sich über die
Begeisterung.
Später saßen sie in einer Ecke neben dem
Weihnachtsbaum, tranken Wein und schauten den Tänzern zu. Dirk
legte seinen Arm um Melanie und küsste sie. „Mir hat es Spaß gemacht.“
Melanie lachte. „Mir auch. Ich habe dabei so einen
attraktiven Mann kennengelernt.“
„Deshalb setzt du dich einfach einem Fremden auf den Schoß!“
Dirk drohte lachend mit dem Finger.
„Na, wenn du mich wegwirfst.“
Dirk zog Melanie an seine Schulter. „Ich liebe dich und will
mit dir zusammen alt werden. Willst du mich heiraten?“
Melanie schmiegte sich an ihn. „Ja, ja ...“
Den Rest der Antwort erstickte Dirk mit seinen Küssen.
©Eva Joachimsen 2014
©Eva Joachimsen 2014
Eva Joachimsen liebt lesen, schreiben und
tanzen. Seit vielen Jahren veröffentlicht sie Kurzgeschichten in Zeitschriften.
Mehr von ihr erfährt man auf ihrem Blog.
Ein Überblick
über ihre Bücher gibt es hier.
Krisi Sz.-Pöhls
ist 44 Jahre alt und lebt recht
zurückgezogen in Oppenheim am Rhein.
Malen
gehört seit ihrer Kindheit zu ihren Hobbys. Mittels Fortbildungen ist die
Autodidaktin Künstlerin geworden.
Sie hat die Illustrationen zu „Der Bär mit der
Brille“, „Klein Henning und der
Delfin“, „Rattenprinzessin
Rapunzel“, „Ratte Prinz im
Weihnachtsbaum“ und „Hopser will helfen“ gemalt.
Mehr von ihr auf ihrer Homepage www.salidaswelt.com
oder bei www.zazzle.de/mbr/238764950947258943