„Wo sind die Streichhölzer“, rief
Rüdiger in den Flur.
„Für was brauchst du sie?“, fragte
Verena, seine Verlobte.
„Für den Adventskranz.“
„Für was?“ Verena stand plötzlich
in der Tür.
„Ich möchte zum Frühstück die vier
Kerzen am Adventskranz anzünden.“
„Welche Kerzen?“
Rüdiger sah sie erstaunt an.
„Schläfst du noch?“
„Ich bin seit einer Stunde auf.“
Verena ging in die Küche und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
„Sagst du mir jetzt, wo die
Streichhölzer sind?“, fragte Rüdiger ein weiteres Mal.
„In der dritten Schublade von
unten im Wohnzimmerschrank. Obwohl ich immer noch nicht weiß, wofür du sie
eigentlich brauchst. Du wirst doch nicht mit dem Rauchen anfangen?“, scherzte
sie.
„Und ich kann dir immer und immer
wieder nur zur Antwort geben: für die Kerzen am Adventskranz.“ Rüdiger zog die
Lade auf und bemerkte nicht, dass Verena ihn dabei skeptisch beobachtete.
Schnell wurde er fündig.
„Wo hast du den Adventskranz
hingestellt?“ Suchend sah er sich im Raum um.
Verena stand, die Arme vor der
Brust verschränkt im Raum. „Geht es dir gut?“
„Wieso nicht.“ Er war sichtlich
genervt.
„Hast du Fieber?“ Sie ging einen
Schritt näher auf ihn zu. Als sie die Hand ausfahren wollte, gen seiner Stirn
schritt Rüdiger zurück. „Was soll dass?“
„Setz dich hin, Rüdiger, du machst
mir Angst.“
„Was?“
„Du redest die ganze Zeit wirres
Zeugs.“
„Ich tue was?“
„Dann erkläre mir endlich, was das
mit diesem Adventskranz soll.“
Rüdiger sah ihr in die Augen. „Das
ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“
Sie nickte.
„Willst du mir damit eins
auswischen, weil ich am Mittwoch mit meinen Kollegen einen Trinken war, danach ziemlich
angeheitert ins Bett fiel und dich versehentlich dabei aufweckte?“
Verena tippte sich an die Stirn.
„Dann erkläre mir doch mal, warum
du den Adventskranz entsorgt hast? Er hat nicht eine einzige Nadel verloren.“
Es blieb für einen Moment still
zwischen den beiden. Verenas besorgter Blick ruhte auf Rüdiger. Er wippte
ungeduldig auf den Zehen.
„Setz dich.“ Verena deutete auf
die Couch.
„Was soll der Quatsch? Ich will wissen
wo der Adventskranz ist.“
„Wir haben dieses Ding nicht, was
immer es auch ist.“
„Verena, es reicht. Der Scherz ist
nicht mehr lustig.“
„Was ist mit dir Rüdiger? Hast du
irgendetwas geschluckt?“
„Sag mal, spinnst du jetzt total?
Was soll ich geschluckt haben, den Adventskranz?“
„Kann man ihn denn essen?“
„Verena“, schrie Rüdiger und riss
die Balkontür auf.
„Mach zu, es ist kalt.“
„Ich brauche dringend frische
Luft.“
„Dann geht es dir doch nicht gut.
Soll ich den Arzt rufen?“
Rüdiger drehte sich um, schloss
die Tür und blickte Verena in die Augen, die sorgenvoll auf ihm ruhten. „Du
weißt wirklich nicht, was ein Adventskranz ist“, sprach er leise. Verena
schüttelte den Kopf. Rüdiger atmete tief durch.
„Aber du weißt, dass wir später
den Tannenbaum kaufen gehen, oder?“
„Rüdiger, du schmeißt mit Wörtern
um dich, die ich nicht kenne.“
„Meine Güte“, er schluckte heftig,
dann kniete er vor ihr nieder. „Verena du wirst doch nicht an Alzheimer leiden,
dafür bist du viel zu jung!“
Sie schüttelte seine Hände ab,
sprang auf. „Wer hier einen Riss in der Schüssel hat, dass bist du. Rüdiger,
höre endlich damit auf, ich bitte dich, du machst mir wirklich Angst.“
„Du nimmst mich auf den Arm? Nur weil
ich Weihnachten so liebe …“
„Rüdiger!“, schrie Verena, lief
aus dem Zimmer und schloss sich im Bad ein.
(...)
©Sigrid
Wohlgemuth
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