Seit Wochen trafen täglich Aufträge in der
Weihnachtswerkstatt ein. Der Weihnachtsmann kam nicht mehr zur Ruhe. Jeder
wollte etwas von ihm wissen. Selbst in der Kantine wurde er ständig
angesprochen. Er fand kaum Zeit zum Essen und sah immer blasser aus. Von Tag zu
Tag wurde er grantiger.
Deshalb beschloss der Rat der Engel, ihn zur Erholung in ein
freies Wochenende zum Skifahren zu schicken, sozusagen als vorgezogenes
Weihnachtsgeschenk.
Aber der Weihnachtsmann wollte nicht weg. „Es gibt viel zu
viel zu tun. Ich kann doch nicht einfach verschwinden.“
„Wenn du krank wirst, wird es schlimmer, also musst du dich erholen.
Außerdem ist es unser Weihnachtsgeschenk“, sagte Engelchen.
„Weihnachtsgeschenk? Pah, ich bringe die Geschenke.“
Ohne auf seinen Protest zu achten, eilten zwei Engel fort
und packten seinen Koffer, zwei weitere spannten die Rentiere an. Mit vier Mann
schleppten sie den widerstrebenden Weihnachtsmann zum Schlitten. Damit er schon
während der Fahrt ausruhen konnten, statt aufzupassen und zu kutschieren, flog
ein Engel voran und führte die Tiere, während der Weihnachtsmann in Ruhe
eingekuschelt in warme Decken die Fahrt genießen konnte. Ein zweiter Engel
schenkte ihm inzwischen aus der Thermoskanne heißen Kräutertee in eine Tasse.
Die Berghütte war mollig war, da eine Vorhut, Vorräte
vorbeigebracht und schon eingeheizt hatte. Engelchen stand in der Küche und kochte
mit dem Kochbuch in der Hand. „Ich lerne es gerade.“
Der Weihnachtsmann wirkte geschockt, enthielt sich aber
eines Kommentars.
Abends trank er heiße Schokolade, las seinen dicken Schmöker
durch und öffnete die Ofenklappe, um ab und zu dem Spiel der Flammen zuschauen
zu können.
Morgens gab es ein englisches Frühstück mit Spiegelei,
Speck, Würstchen, Tomaten, Toast, Orangensaft und Tee. Anschließend zogen zwei
Engel den Weihnachtsmann wie ein Schlepplift auf den Hügel. Er fuhr immer
wieder hinunter und freute sich wie ein kleines Kind. Am Abend genoss er sein
Steak mit Bratkartoffeln und Salat, diesmal hatte ein erfahrener älterer Engel
gekocht. Ein Bote hatte extra ein neues Buch von daheim besorgt.
„Chef, du solltest schlafen gehen, schließlich willst du
dich erholen“, mahnte das kleine Engelchen. Doch der Weihnachtsmann schickte es
stattdessen ins Bett. Er selbst blieb, bis er das Buch durchgeschmökert hatte.
Weil es am Tag vorher so gut geklappt hatte, nahm er nicht
mehr den Anfängerhügel, sondern die Abfahrt für Fortgeschrittene. Juchzend fuhr
er hinunter, sprang über unebene Stellen und genoss die Geschwindigkeit.
Mit Mühe mussten die beiden Engel ihn wieder hochziehen.
Ihre hellen Hemdchen färbten sich dunkel vom Schweiß.
„Weiter hoch, ich will die lange Abfahrt nehmen“, sagte er,
als sie ihn absetzen wollten.
„Aber das ist die Abfahrt für Profis“, wandte einer ein.
Doch das ließ er nicht gelten. Die Beiden mussten ihn bis
zum Gipfel schleppen.
Das obere Drittel nahm er elegant, doch dann fuhr er auf ein
von Neuschnee verdecktes Eisbrett und rutschte, dabei kam er auf die Kante.
Jetzt zog es ihm die Beine weg, er stürzte, schlug mit Kopf und Schultern auf,
überschlug sich, schlitterte weiter, bis er schließlich von einem Baum gebremst
wurde.
Die Engel umflatterten ihn besorgt. Aber er lag besinnungslos
da, das rechte Bein verdreht, der Kopf blutete. Ein Engel holte den
zerbrochenen Ski und schiente damit sein Bein, während der andere sein Hemdchen
zerriss und damit seinen Kopf verband.
Dann hoben beide ihn hoch und versuchten zu fliegen, doch sie
verloren schon bald Höhe. Obwohl sie weiterkämpften, gerieten sie ins Trudeln
und stürzten hinunter. Dadurch setzten sie ihn unsanft ab.
Nachdem sie sich aufgerafft hatten, musterten sie besorgt den
Abhang. „Viel zu steil für den Schlitten“, meinte der eine, deshalb flog er los
und holte Hilfe. Mit drei weiteren Engeln kam er zurück. Zu fünft trugen und
zerrten sie den Weihnachtsmann den Hang hinunter, zum Fliegen war er einfach zu
schwer.
Unten wartete schon das kleine Engelchen mit dem
Rentierschlitten.
„Ins Krankenhaus?“, fragte es.
„Zum Chef. Vielleicht kann er mal wieder ein Wunder
vollbringen“, schlug der älteste Engel vor.
Annette Paul
schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren Kurzgeschichten und
Kindertexte, gern etwas zum Schmunzeln. Von ihr sind folgende
Weihnachtsbücher: "Der ganz normale Weihnachtswahnsinn", "Ratte Prinz im Weihnachtsbaum", "Weihnachtsmann im Weihnachtsstress" und "Weihnachtsmann hat noch mehr Stress".