Leseprobe: - Ein
wundersamer Traum
Als
wieder einmal das Jahr zu Ende ging, zeigte der Winter mit kräftig aufgeblähten
Wangen was er alles konnte. Carolina schaute vom Küchenfenster aus dem
brausenden Schneetreiben zu.
„Mama,
warum sieht der Regen weiß aus?“ Sie drehte sich um und schaute ihre Mutter fragend
an.
„Weil
der Regen, wenn es sehr kalt ist, als Schnee zur Erde fällt“, erklärte ihr die
Mutter.
„Hhm“,
nachdenklich legte das Mädchen einen Finger an ihre Nasenspitze, „aber warum
ist der Schnee weiß?“
„Weil
es jetzt Zeit zum Schlafen ist und gleich der Sandmann kommt. Ich lese dir noch
eine Geschichte vor“, versuchte Carolinas Mama ihre kleine Tochter abzulenken.
Dick
vermummt, einen viel zu großen Mantel an, Schal, Mütze, Handschuhe und schwere
Stiefel an den Füßen, so klopfte der Winter polternd an das große Eisentor des
Mondes. Er freute sich riesig, weil er endlich wieder gebraucht wurde und so
richtig nach Herzenslust
wintern
konnte. „Meister Mond, du kannst nun einige deiner Sternenkinder an ihren Platz
am Himmel stellen. Für heute bin ich mit meiner Arbeit fertig und rechtschaffen
müde. Ich glaube, ich habe mir jetzt ein kleines Nickerchen verdient!“
Der
Mond beeilte sich der Aufforderung des Winters nachzukommen, damit alles seine Ordnung
hatte und die Eltern der Kinder sich nicht
beschwerten.
Die kleinen Mädchen und Jungen wollten nicht eher ins Bett gehen und schlafen, bevor
es draußen dunkel war und die Sterne am
Himmel
leuchteten.
Hastig
lief er zur großen Trommel und trommelte, was die Stöcke hielten, damit auch
die letzten Schlafmützensternchen ihn hörten und wie der
Blitz
angerannt kamen. „Los, los! Schnell auf eure Plätze! Der Winter hat
aufgehört
zu schneien. Es soll eine schöne, sternklare Nacht werden.“
Die
kleinen Sternchen reckten und streckten sich, gähnten und rieben sich die Augen
blank. „Meister Mond, ist es denn schon wieder so weit? Wir sind doch noch so
müde“, maulten sie. Besonders Goldlöckchen, Silberschweifchen und Purzelchen
fiel es immer am schwersten von allen.
„Ja,
ja, es ist doch immer dasselbe. Morgens wollen sie nicht ins Bett und abends
finden sie nicht wieder hinaus“, donnerte Meister Mond.
Die
Sternchen flitzten in alle Himmelsrichtungen auseinander und stellten sich -
ein jedes auf seinen Platz. Der Mond lief noch schnell zum goldenen
Himmelstelefon.
Umständlich kramte er einen Zettel aus seiner Tasche heraus und wählte eine lange
Nummer.
327 478 343 783686637 866 72636266
DAS IST DIE RUFNUMMER VOM SANDMANN
Eine
verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung fragte: „Hallo, wer ist dort?“
„Guten
Abend, Herr Sandmann“, rief der Mond in den Apparat. „Bitte entschuldigen Sie
die Störung. Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass es Zeit wird, die Kinder
ins Traumland zu führen.“
„Oje,
ist es wirklich schon so spät? Dann muss ich mich aber sputen!“
Der
Sandmann packte seinen großen Sack, schwang ihn über die Schulter und machte
sich auf den Weg.
An
dieser Stelle machte Carolinas Mama eine Pause und schaute auf ihr kleines
Mädchen. Carolina hatte die Augen geschlossen und schlief tief und fest. Die
Mutter stand auf, löschte das Licht und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Behutsam
zog sie die Tür ins Schloss.
„So,
jetzt nur noch schnell zur kleinen Carolina und dann ab ins warme Wolkenbett“,
gähnte der Sandmann und ließ sich prustend aufs Dach fallen. Er kletterte durch
den Schornstein hinunter. Leise öffnete er die Kinderzimmertür. „Mal sehen, welchen
Traum wir noch für Carolina haben.“
Ein
glänzender Sandstrahl flimmerte durch das Zimmer, so als würden Millionen
kleiner Sternchen tanzen. Sie legten sich auf das schlafende Kind und deckten
es zu.
In
einem kleinen Fischerdorf in Grönland stand Anuks Vater traurig und mit leerem
Korb vor seiner Familie. Er hatte schon wieder keine Fische
gefangen
und morgen war Weihnachten. Seit Tagen war es bitter kalt. Der See war fast bis
auf den Grund zugefroren. Die Menschen und Tiere fanden keine Nahrung. Selbst
die Tränen an ihren
Augen
waren keine Tränen. Sie lagen als kleine Eiskristalle auf den Gesichtern.
„So
kann es nicht weitergehen“, sagte Anuks Vater. „Ich gehe zur weisen Frau. Sie
muss uns helfen.“
Erschrocken
schlug Anuks Mutter die Hände vors Gesicht. „Zur weisen Frau!“, rief sie. „Aber
der Weg ist doch so weit und beschwerlich.“
„Es
hilft nichts!“, erwiderte Anuks Vater. „Ich muss es versuchen und Anuk wird
mich begleiten.“
Es
war wirklich kein leichter Weg. Sie mussten durch Unterholz und tiefes
Gestrüpp. Der Wind blies ihnen die Zweige der Bäume ins Gesicht. Die weise Frau
wohnte in einer Höhle im Wald. Sie wollten schon aufgeben und wieder umkehren.
Da endlich kamen sie an eine kleine Lichtung und
fanden
den Eingang zur Höhle. Zögernd traten sie ein.
Anuks
Vater rief: „Hallo, ist dort jemand?“
Aus
der Tiefe der Höhle schallte sein Echo zurück.
„Wer
wünscht mich zu sprechen?“, antwortete ihnen eine Stimme.
„Ich
bin ein Fischer, unten aus dem Dorf und das ist mein Sohn Anuk. Wir wissen uns
keinen Rat mehr. Die Tiere und Menschen finden keine
Nahrung,
weil es so bitter kalt und der See zugefroren ist.“
Die
weise Frau trat aus der Dunkelheit heraus.
Homepage von Marika Krücken:
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