„Hoho, nicht so langsam.“ Der Weihnachtsmann
schnalzte mit der Zunge, um seine Rentiere anzutreiben und als das nicht half,
knallte er mit der Peitsche. Von wegen besinnlich und gemächlich. Heute legten
die Kunden größten Wert auf Pünktlichkeit, ansonsten verlor er sie an die Konkurrenz.
Da sein Schlitten nicht so voll wie in früheren
Jahren war, viele waren abgewandert, konnte er seinen alten Tieren ein höheres
Tempo zumuten. Eine Verjüngung des Zugparks ließ der gekürzte Etat nicht mehr
zu. Zu viele Kunden waren in den letzten Jahren schon zu moderneren Anbietern
abgewandert.
Das Leittier spielte nervös mit den Ohren. Jetzt
wurden die Tiere von allein schneller. Als der Weihnachtsmann das Geräusch
endlich hörte, seine Ohren waren nicht mehr so gut wie früher, aber ein
Hörgerät zahlte seine Krankenkasse nicht, war es zum Reagieren zu spät. Eine
Drohne überholte sie, gefährlich tief fliegend. Fast berührte sie die Köpfe der
Tiere. Der Mann am anderen Ende der Welt, der sie lenkte, machte sich einen
Spaß mit dem alten Vertriebssystem.
Verschreckt sprangen die Rens los und brachen zur
Seite aus. Mit voller Geschwindigkeit preschten sie in Richtung Brandenburger
Tor. Die Drohne folgte, lieferte ihnen ein ungleiches Wettrennen.
Der Weihnachtsmann hörte Bremsen quietschen.
Schweiß brach ihm aus und rann von der Stirn in den weißen Bart. Zum Glück
blieb das anschließende Scheppern aus. Was hätte das für eine Schlagzeile gegeben:
„Weihnachtsmann verursacht vor dem Brandenburger Tor eine Massenkarambolage.“
Im letzten Moment bevor sie die Kreuzung erreichten, konnte er sein Gespann
zügeln. „Brav, jetzt gehen wir schön langsam zu unseren Kunden. Sollen sie doch
warten oder notfalls zur Konkurrenz wechseln. Wir haben uns unseren Ruhestand
längst verdient. Nicht wahr, meine Lieben?“, murmelte er in seinen Bart.
Im Schritttempo fuhr er weiter. Die Tiere nahmen
das Hupkonzert stoisch hin, daran waren sie seit Jahrzehnten gewöhnt. Gerade
als der Weihnachtsmann vor einem Altbau hielt und hinter sich zu seinem
Jutesack griff, hörte er erneut eine Drohne. hastig schnappte er sich die Zügel
und sprach beruhigend auf die Tiere ein. Die Hightech-Maschine flog direkt über
ihnen und ließ ihre Fracht fallen. Das Heimkinosystem streifte seinen Kopf und
blieb dann auf den Geschenken im hinteren Teil des Schlittens liegen. Benommen
sackte der Weihnachtsmann zusammen. Die Landung einer Hundertschaft Drohnen,
bekam er nicht mehr mit. Die Passanten, die ihm zu Hilfe eilten, mussten erst
über Stapel der bis zur Haustür zugestellten Pakete klettern.
©Annette Paul
Annette Paul
schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren Kurzgeschichten und
Kindertexte, gern etwas zum Schmunzeln. Von ihr sind folgende
Weihnachtsbücher: "Der ganz normale Weihnachtswahnsinn", "Ratte Prinz im Weihnachtsbaum", "Weihnachtsmann im Weihnachtsstress" und "Weihnachtsmann hat noch mehr Stress".