„Klausmüller!“ Klara riss ihre Zimmertür auf.
Klausmüller,
Klaras Stoffesel, der eines Tages durch eine Ritterrüstung gerutscht war und
seitdem Klara aktiv dabei unterstützte, den Plätzchenvorrat zu minimieren und
auch sonst sehr lebendig Klaras Leben bereicherte, saß vor einem leeren
Pappteller mit Kekskrümeln und stülpte seine Lippen über die Zähne. Ein
leichtes Lächeln lief über seine Eselsschnute.
„Ich kann das erklären.“ Mit leicht gesenktem Kopf schielte er zu Klara
hoch und hoffte auf eine nicht allzu strenge Ansprache von Klara, weil er schon
wieder alle Plätzchen alleine aufgegessen hatte. Doch Klara interessierte das
gerade herzlich wenig. Sie schnappte ihren Stoffesel und schmiss sich mit ihm
aufs Bett.
„Klausmüller!“ Klara gluckste vor Freude. „Wir haben beide eine Rolle
in unserem Krippenspiel von der Schule bekommen!“
„Echt?“
„Ja, echt und …“
„Ich bin Jesus.“ Fest und tief schaute Klausmüller Klara in die Augen.
„Nein.“ Klara zog die Augenbrauen zusammen und starrte zurück.
„Doch.“ Klausmüller nickte ganz sacht und hielt Klaras Augen fest in
seinem Blick.
„Du kannst nicht Jesus sein.“ Klara nickte nicht mit.
„Warum nicht?“ Auch Klausmüller hörte auf zu nicken.
„Du siehst gar nicht aus wie Jesus.“
„Phh“, machte Klausmüller und schielte das erste Mal zur Seite. „Wen
spielst du denn?“ Sein Blick wanderte wieder zu Klara.
„Ich bin einer der Hirten.“
„Ha!“, rief Klausmüller. „Siehst du etwa aus wie ein Hirte?“
„Nein, aber …“
„Ich spiele Jesus.“
„Aber du bist als Esel eingeteilt.“
„Als Esel? Sag mal, hast du sie noch alle? Das ist doch keine Rolle!
Das bin ich doch!“
„Ja, deswegen ja. Du …“
„Nä.“ Klausmüller setzte sich auf sein Hinterteil.
„Ich hab‘ auch nicht meine Lieblingsrolle bekommen.“ Klara drehte an
einer Haarsträhne. Ihr Blick glitt zu Boden.
„Selbst schuld.“
„Danke.“ Klara atmete tief ein. „Ich hätte so gerne Maria gespielt.“
Ihre Stimme war gesenkt, leise. Ihr Blick glitt zu Boden.
„Weiß ich doch.“ Klausmüller stupste sie sachte an.
„Ja, und jetzt spiele ich halt Hirte.“ Klara richtete sich ein wenig
auf. „Weil es wichtig ist, dass das Stück zustande kommt. Wenn jeder auf seiner
Lieblingsrolle beharren würde, hätten wir nachher fünf Marias und keinen Esel.“
„Wer spielt denn Maria?“, fragte Klausmüller.
„Yvonne.“ Klara blickte wieder auf den Boden, denn sie wusste nur zu
gut, dass Yvonne es immer schaffte, ihre Lieblingsrolle durchzusetzen. Und
Klara wusste auch, dass Klausmüller das wusste.
„Ich werd‘ Jesus.“ Mehr hatte er dazu nicht zu sagen.
Klara blieb nichts anderes übrig: Sie stand auf und ging zu ihrem
Kleiderschrank, der, seitdem Klausmüller seine gewöhnliche Stofftierlaufbahn
beendet hatte, einiges an Kekspackungen enthielt. Oben aus der hintersten Ecke
kramte sie eine Packung hervor. Sie drehte sich um und entwich nur knapp der
auf sie zu schwingenden Lampe. Klausmüller saß auf dem Lampenschirm und
schüttelte den Kopf.
„Zwei“,
sagte Klara.
„Nä.“
„Drei. Mein
letztes Wort.“
Kopfschütteln.
Nach fünf versprochenen Plätzchenpackungen hatte sie ihn so
weit: Er würde die Eselrolle übernehmen. Klara drückte ihrem Keks-Fan einen
Kuss ins Eselsgesicht.
Am Tag der
Aufführung lag eine gespannte Atmosphäre in der Luft. Alle rannten durch die
Räume und dekorierten die Bühne und auch Klausmüller hätte gerne geholfen. Doch
da niemand wissen sollte, dass er etwas anders war als die anderen Stofftiere,
musste er zusammen mit den Requisiten in einer Abstellkammer auf den Auftritt
warten. Hier saß er nun im Halbdunkel und Langeweile schlich sich in sein Fell
wie Nebelschwaden das Moor durchwabern.
Plötzlich öffnete sich die Tür. Klausmüller machte sich innerlich
bereit für seinen Auftritt, sammelte sich, konzentrierte sich mit geschlossenen
Augen auf seinen Text, den er nicht hatte und versuchte sich zu fühlen wie ein
Star vor dem Auftritt. Ja, er war bereit für die Bühne.
Er öffnete gerade die Augen, als
die Tür wieder ins Schloss fiel. Hey! Hatte man ihn vergessen? Nee, die Krippe
stand auch noch. Hatte da jemand versehentlich die Tür geöffnet und dann wieder
geschlossen? Klausmüller schaute sich um. Da entdeckte er, dass etwas fehlte. Klausmüller
pfiff durch seine Eselslippen und machte sich an die Arbeit.
Ungefähr eine
halbe Stunde später hockte Klara in ihrem Hirtenkostüm auf dem Boden neben Jan.
Oben am Himmel leuchtete ihnen bereits der Stern, der ihnen den Weg zur Krippe
weisen sollte. Doch noch hatten sie etwas Zeit. Zunächst waren Maria und Josef
dran, sich vor die Krippe zu knien und ihr schlafendes heiliges Baby zu
bewundern.
„Die werden sich gleich wundern“, grinste Hirte Jan Klara an.
„Wieso?“ Klara blickte zur Heiligen Familie. „Wo ist Klausmüller?“
„Wer?“
„Der Esel! Mein Esel fehlt.“
Klara
blickte sich um. Klausmüller hatte doch wohl nicht vor, plötzlich über die
Bühne zu marschieren? Klara schaute zur Decke und atmete erleichtert auf als
sie sah, dass wenigstens kein Esel auf der Deckenbeleuchtung schaukelte. Beim
Gedanken an Klausmüllers Lampentick rieb Klara sich die Stirn.
„Das Jesuskind ist weg.“ Jan grinste und stupste Klara an.
„Wie? Weg?“ Irritiert schaute Klara zu Jan.
Der nickte zur Bühne hin und flüsterte ihr dann ins Ohr: „Ich wollte
mal gucken, wie Yvonne reagiert, wenn Jesus fehlt.“
In dem
Moment erklang ein Aufschrei in das Himmelsgeläut des Kinderorchesters hinein
und Maria sank zu Boden. Schnell eilte Frau Gramann, Klaras Klassenlehrerin
herbei und Maria richtete sich wieder auf und kniete sich neben Josef, der ein
breites Grinsen im Gesicht trug und zu Jan herüberschielte.
„Los komm, wir müssen zur Bühne!“
Jan zog
Klara mit sich. Ihr Auftritt als Hirten begann.
Und dann durften auch sie sich vor der Krippe aufstellen und andächtig
das Jesuskind betrachten. Und das taten sie auch. Und das Jesuskind hatte noch
nie so einzigartig ausgesehen wie an diesem Tag – mit graubraunem Eselsfell, Goldlöckchen
auf dem Haupt und Heiligenschein drum herum.
Und wie bei
Maria verzog Klausmüller seine Schnute zu einem breiten Grinsen, als Klara zu
ihm herabschaute.
©Pebby
Art
Der kleine Esel Klausmüller ist dem Kinderbuch „Klausmüller – Ein Esel sucht ein Pferd“ entsprungen, das ebenfalls aus der Feder von Pebby Art stammt.
Bisher hat Pebby Art noch zwei weitere Kinderbücher veröffentlicht. In „Auf und weg!“ wird ebenfalls ein Stofftier lebendig und in „Lieber Gott, wo steckst denn du?“ machen sich die beiden Hamster Kalle und Friedrich auf die Suche nach dem lieben Gott.
Pebby
Art lebt mit Mann, Kindern, Katze und Pferd im Emsland und liebt es,
dort an Grundschulen mit Klausmüller oder Kalle und Friedrich die Kinder
zu erheitern. Mehr zu ihr und ihren Werken (inkl. Leseproben) gibt es
auf http://pebbyart.blogspot.de/