Lächelnd erwache ich am frühen Morgen. Es ist Ende November. Mit einem Blick aus dem Fenster wird mir bewusst, dass meine gute Stimmung nicht am nebelverhangenen Himmel liegen kann. Feucht, grau und düster ist es nun schon seit Tagen. Beim Morgenkaffee kommt mir mein Traum in den Sinn.
Ich seufze. Ach, war das noch schön, als ich früher das Weihnachtsfest kaum erwarten konnte. Wunschzettel wurden gemalt, später geschrieben. Die Gerüche nach Weihnachtsplätzchen, Zimt, Marzipan und Schokolade, die habe ich heute noch in der Nase. Der Höhepunkt war jeden Sonntag das Entzünden einer weiteren Kerze am Adventskranz. Weihnachtsmusik erklang vom Plattenspieler. Das leise Kratzen der Nadel verbreitete Nostalgie. Wenig Technik, wenig Prunk, wenig Konsumzwang, dafür Familienleben, Zeit füreinander mit Großeltern, Tanten und Onkeln. So sollte der Dezember ablaufen. Ein Beutel Süßes im Nikolausstiefel war genug, um kindliche Freude auszulösen. Die Adventszeit war harmonisch, der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt etwas ganz Besonderes, die Augen glänzten. Diese Zeit erlebte ich voller Erwartungen auf einen wunderschön geschmückten Baum, mit uraltem Schmuck, detailgetreue Nachbildungen der Weihnachtskrippe, Winterlandschaften oder Musikinstrumenten auch aus Holz. Der Weihnachtsmann begleitete uns jahrelang, glaubten ja sogar die Grundschüler noch an ihn. Nur wer ältere Geschwister hatte, wurde etwas früher aufgeklärt.
Noch heute sehe ich das alles vor mir.
Wo ist all die Stimmung hin?
Geschenke besorgen ist unterdessen zum Alptraum geworden. Was schenkt man Kindern, die bereits viel zu viel haben? Diese erwarten vor allem eine üppige Anzahl weiteres Spielzeug, das sich dann fast unbenutzt im Zimmer stapelt, weil die Eltern kaum Zeit oder Lust haben, mit ihnen zu spielen.
Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt lässt sicher kaum noch Kinderaugen erstrahlen. Menschenmassen schieben sich durch die Gänge, mit ihnen die Kinder, die eigentlich überall nur Beine sehen. Wer einfühlsame Eltern hat, wird auf den Schultern getragen. Jede Bude steht jedes Jahr wieder am selben Platz. Es gibt reichlich Auswahl … alles schön bunt … vor allem teuer.
Oftmals sind Hunde dabei. Diese Tierhalter würde ich gern mal zwingen, stundenlang in der Kälte und im Schneematsch angeleint auf Knien über den Markt zu rutschen. Das grenzt an Tierquälerei, oder?
Schaut man in die Gesichter findet sich keine Freude, kein Lächeln … überwiegend nur unzufriedene genervte Mienenspiele.
Traditionell eine leckere Waffel oder Bratwurst und einen heißen Glühwein zu genießen, das ist mir schon lange vergangen. Zum einen wird man ständig angerempelt, zum anderen muss man seine Handtasche krampfhaft festhalten, um nicht ausgeraubt zu werden.
Es wird mir bewusst, so kann ich nicht in Weihnachtsstimmung kommen.
Also trinke ich meinen Kaffee aus, begebe mich auf den Dachboden, um die Kisten, in denen sich Großmutters Nachlass befindet, durchzustöbern. Dieses Jahr werde ich Erinnerungen wachrufen, wieder mal Plätzchen selber backen, den alten Plattenspieler in Gang setzen, viele Kerzen anzünden und das Fest mit allen Sinnen genießen.
©Heidi Dahlsen
Kurzvita: Heidi Dahlsen ist
verheiratet, hat zwei Kinder und eine Enkelin. Sie schreibt nicht einfach nur
Bücher, sondern füllt diese mit Lebensgeschichten. Für
sie ist das Schreiben eine Form des Verarbeitens ihrer Erlebnisse. Sie möchte
aufwecken und wachrütteln, die Menschen sensibilisieren und mit Vorurteilen
gegenüber psychischen Erkrankungen aufräumen. Sie wünscht sich, dass von diesen
Krankheiten betroffene Menschen von der Gesellschaft toleriert, akzeptiert und
vor allem in die Gesellschaft integriert werden. Bei allen in ihre Bücher
gepackten Emotionen, Informationen und Abrechnungen gelingt es ihr noch, den
Leser zu unterhalten.
Webseite der Autorin www.autorin-heidi-dahlsen.jimdo.com